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Papst Franziskus auf dem Weg zur Welt.

© dpa

Papst auf Reisen: Über den Wolken zu Brexit und Homosexuellen

Auf der Rückreise von Armenien hat der Franziskus mit Journalisten mal wieder dampfgeplaudert. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Claudia Keller

Über den Wolken plaudert Papst Franziskus besonders gerne. Wenn er auf dem Rückweg von Dienstreisen im Flugzeug mit Journalisten zusammensitzt, rutschen ihm oft Sätze heraus, die sein Sprecher hinterher nur mit Mühe einfangen kann. Im Frühjahr 2015 verglich er auf dem Rückflug von einer Asienreise Katholiken mit Kaninchen: „Einige glauben – entschuldigt bitte das Wort – um gute Katholiken zu sein, müssen wir sein wie die Kaninchen, nicht wahr? Nein.“ Er spielte auf das Vermehrungsverhalten der Tiere an - und brachte Katholiken wie Kaninchenzüchtervereine gegen sich auf.

Im Februar diesen Jahres verglich er auf dem Rückflug von Mexiko Abtreibungen mit den Verbrechen der Mafia, er bescheinigte Donald Trump, kein Christ zu sein, und rüttelte am katholischen Verhütungsverbot. Konservative wie liberale Katholiken fragen sich regelmäßig nach solchen spontanen Äußerungen: Ist Franziskus verrückt geworden?

Vermutlich will er einfach nett und offen sein

Vermutlich will er einfach nur nett sein, spontan und offen. Sein Urteil über Trump begründete er mit der Absicht des Präsidentschaftskandidaten, im Falle eines Wahlsiegs eine Mauer zu Mexiko bauen zu wollen, um Einwanderer aufzuhalten. Trump empörte sich umgehend und profitierte letztlich von Franziskus' kritischer Äußerung. Sie verschaffte ihm Aufmerksamkeit und er konnte sich umso besser als Kämpfer gegen das Establishment darstellen.

Am Sonntagabend auf der Rückreise von Armenien war es wieder so weit. Franziskus warnte nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa vor einer "Balkanisierung" Europas nach dem Brexit-Votum. „Da ist etwas, das nicht funktioniert in dieser schwerfälligen Union. Vielleicht muss man über eine neue Form der Union nachdenken, eine freiere“, sagte der 79-Jährige und empfahl der EU, den Mitgliedstaaten mehr Freiheiten zu geben. Den Papst treibt die berechtigte Sorge über den "Wind der Trennung" in Europa um, und doch geht seine Empfehlung für einen Papst, der sich erklärtermaßen nicht in tagespolitische Dinge einmischen will, erstaunlich weit. Manchem EU-Politiker dürfte es zu weit gehen.

Die Kirche solle Homosexuelle um Vergebung bitten

Die Journalisten fragten ihn außerdem nach dem Umgang der Kirche mit Homosexuellen. Die Kirche solle sich bei ihnen entschuldigen, sagte Franziskus nach Angaben der Katholischen Nachrichtenagentur KNA. Sie sollten dafür um Vergebung bitten, dass sie viele falsche Entscheidungen begleitet hätten. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx, der zu Franziskus' Beratern zählt, hatte nach dem Attentat auf den LGBT-Nachtclub Pulse in Orlando in einem Interview mit der "Irish Times" gesagt: "Die Geschichte der Homosexuellen in unserer Gesellschaft ist schlimm, denn wir haben viel dazu beigetragen, sie ins Abseits zu schieben." Dafür müssten sich Kirche und Gesellschaft entschuldigen. Franziskus nahm nun diese Worte auf und erinnerte an seine berühmten Worte von 2013: Wenn eine Person homosexuell veranlagt sei, guten Willens sei und Gott suche, „wer sind wir, über sie zu urteilen?“

Franziskus ändert nichts an der katholischen Lehre

Die offen und revolutionär klingenden Sätze über den Umgang mit Homosexuellen stehen in Kontrast zu Franziskus' jüngstem Lehrschreiben "Laetitia Amoris" über Ehe und Familie. Darin hatte er im April Homosexuelle äußerst kühl behandelt und als Liebende zweiter Klasse abgestempelt. Während er heterosexuell Liebenden auf 200 Seiten werbend und geradezu hymnisch umkreiste, tauchten homosexuell Liebende gerade mal in zwei Absätzen auf und nur als Objekte des Bedauerns und der Fürsorge: „Mit den Synodenvätern habe ich die Situationen von Familien bedacht, welche die Erfahrung machen, dass in ihrer Mitte Menschen mit homosexueller Orientierung leben – eine Erfahrung, die nicht leicht ist.“

Homosexuelle sollten mit Respekt behandelt werden und „notwendige Hilfen bekommen, um den Willen Gottes zu begreifen“, sprich: enthaltsam zu leben, heißt es in dem Dokument weiter. Gelebte Homosexualität gilt in der katholischen Lehre als Sünde, daran hat auch Franziskus bis jetzt nichts geändert - spontane Äußerungen über den Wolken hin oder her. Solange die Lehre aber ist wie sie ist, dient sie Homophoben rund um den Globus als Rechtfertigung für die Unterdrückung und Verfolgung von Homosexuellen. Auch katholische Bischöfe in Afrika greifen gerne darauf zurück.

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