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Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Außenministerin, spricht während der Sitzung des UN-Sicherheitsrats zur Ukraine.

© dpa/Michael Kappeler

Überparteiliche Zustimmung für den Vorstoß: Baerbock will Putin für „Urverbrechen“ zur Rechenschaft ziehen

Die Bundesaußenministerin fordert eine Reform des Römischen Status für den IStGH, um den russischen Angriffskrieg besser strafrechtlich zu verfolgen. Das stößt auf breite Zustimmung.

Außenministerin Annalena Baerbock hat verlangt, den russischen Präsidenten Wladimir Putin für das „Urverbrechen“ eines Angriffskriegs gegen die Ukraine zur Rechenschaft zu ziehen.

Putin mache selbst vor den schwächsten Menschen, „den Kindern, nicht Halt“, sondern beziehe sie auf brutale Art in seinen Vernichtungskrieg ein, sagte die Grünen-Politikerin am Montag in New York bei einem Festakt zum 25. Jahrestag des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH).

Der Vorstoß der Außenministern ist parteiübergreifend auf Zustimmung gestoßen. „Bislang ist der Straftatbestand des Verbrechens der Aggression beim Internationalen Strafgerichtshof nicht erfasst“, sagte CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Deshalb ist es gut, dass die Außenministerin sich dafür parallel zur Ahndung der Kriegsverbrechen Russlands gegen die Ukraine einsetzt.“

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Der Grünen-Obmann im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags, Jürgen Trittin, sagte dem RND: „Es kann nicht sein, dass man sich der Anklage wegen Verbrechen der Aggression gegen Staaten, wie wir sie gerade durch Russland in der Ukraine erleben, entziehen kann, wenn man das entsprechende Zusatzprotokoll nicht unterzeichnet hat.“

Wenn ein Angreifer nicht einmal vor Kindern Halt macht, verwandelt sich die Tragödie in schreckliche Unmenschlichkeit.

Annalena Baerbock, Außenministerin Deutschland

Auch die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann gab Baerbock Recht: „Es ist eine Frage der Gerechtigkeit den Opfern gegenüber, dass Verbrecher nicht ungeschoren davonkommen.“

Baerbock fordert internationale Kraftanstrengung gegen Kinderverschleppung

Vor dem UN-Sicherheitsrat forderte Baerbock eine internationale Kraftanstrengung, um die verschleppten Kinder zu ihren Eltern zurück zu bringen.

„Trotz aller Differenzen sollte eine Überzeugung außer Frage stehen: Die deportierten Kinder gehören zu ihren Eltern“, sagte sie. „Der Schrecken der deportierten ukrainischen Kinder ist die Spitze des Eisbergs des unsäglichen Leids, das der Krieg in Russland so vielen Kindern auf der ganzen Welt gebracht hat.“

„Seitdem ich von diesen Verbrechen erfahren habe, kann ich nicht aufhören, mir vorzustellen, wie ich mich fühlen würde, wenn diese Kinder meine eigenen beiden kleinen Töchter wären“, sagte Baerbock. Sie wisse, dass es ihren Kolleginnen und Kollegen aus Afrika, Asien und Lateinamerika genauso gehe.

Auch wenn nicht alle in der Runde beim russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine einer Meinung seien: „Menschlichkeit ist das, was und verbindet.“ Sie ergänzte: „Wenn ein Angreifer nicht einmal vor Kindern Halt macht, verwandelt sich die Tragödie in schreckliche Unmenschlichkeit.“

Der britische Außenminister James Cleverly sprach im Sicherheitsrat von barbarischen Verbrechen. „Russland versucht, die ukrainische Identität und Kulturgeschichte auszulöschen und nutzt Kinder als Kriegsinstrument“, sagte er.

Schlagabtausch zwischen Ukraine und Russland im Sicherheitsrat

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba kritisierte Russland scharf unter anderem für die Aussetzung des Getreideabkommens. Die Regierung in Moskau verliere zusehends die Kontrolle: „Putins Regime wird von Tag zu Tag schwächer. Und die jüngste Wagner-Meuterei hat es nicht nur der ganzen Welt, sondern auch den Russen selbst vor Augen geführt.“

Wir haben die Verantwortung, unsere Kräfte zu bündeln und Wege zu finden, um die Lücke bei der Rechenschaftspflicht für das Urverbrechen (...) zu schließen.

Annalena Baerbock, Außenministerin Deutschland

Der Internationale Strafgerichtshof hatte im März wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine Haftbefehl gegen Putin und die russische Kinderrechtsbeauftragte Maria Lwowa-Belowa erlassen.

Sie seien mutmaßlich verantwortlich für die Deportation ukrainischer Kinder und Minderjähriger aus besetzten Gebieten nach Russland. Moskau spricht in dem Zusammenhang von Evakuierungen. Der Haftbefehl des IStGH vom März 2023 gegen Putin sei ein wichtiges Zeichen gewesen, lobte Baerbock nun.

Angesichts fehlender Mehrheiten für eine Reform des Römischen Statuts als rechtliche Grundlage für den IStGH sagte Baerbock: „Wir haben die Verantwortung, unsere Kräfte zu bündeln und Wege zu finden, um die Lücke bei der Rechenschaftspflicht für das Urverbrechen (...) zu schließen.“

Ausführlich ging sie auf die Nazi-Verbrechen im Zweiten Weltkrieg ein. „Mein Land, Deutschland, hat unmenschliche Angriffskriege geführt und den grausamsten Völkermord begangen, bei dem Millionen Menschen getötet wurden“, sagte sie. „Deshalb haben wir eine besondere Verantwortung, unseren Teil dazu beizutragen, dass solche Verbrechen nie wieder passieren.“

Die Bundesaußenministerin erneuerte ihren Vorschlag einer Reform des Römischen Statuts - sie will es so ändern, dass auch der Tatbestand des Angriffskriegs uneingeschränkt verfolgt werden kann. So soll es ausreichen, wenn der Opferstaat einer Aggression unter die Jurisdiktion des Gerichtshofes fällt.

Derzeit kann nur der UN-Sicherheitsrat den Fall dem Gericht übertragen, da weder Russland noch die Ukraine Vertragspartner sind. Als Ständiges Mitglied hat Russland im Sicherheitsrat ein Vetorecht. Die für eine Reform notwendige Mehrheit ist nicht in Sicht.

Baerbock unterstützte erneut auch den Vorschlag, die russische Führungsriege per Sondertribunal für den Angriffskrieg gegen die Ukraine zur Rechenschaft zu ziehen. Ein solches Tribunal soll auf ukrainischem Recht basieren. Internationale Elemente könnten ein Standort im Ausland, internationale Richter und Ankläger sowie eine unterstützende Resolution der UN-Generalversammlung sein. (dpa)

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