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Üble Nachrede gehört im US-Wahlkampf zum Geschäft.

© dpa

Countdown zur US-Wahl: Noch 2 Tage: Üble Nachrede ist das Wahlkampfinstrument Nr. 1

Sie wurde per Post verteilt, im Radio gesendet, lief pausenlos im Fernsehen: Die Diffamierung des politischen Gegners ist das wichtigste Propagandamittel in diesem Wahlkampf. Das Volk sehnt sich zwar nach Eintracht, lässt sich aber am ehesten durch das Schüren von Zwist mobilisieren.

Eine Frage: Einmal angenommen, Sie sind amerikanischer Präsident und wollen wieder gewählt werden. Doch Ihre Bilanz ist, um es zurückhaltend auszudrücken, angreifbar. Die Staatsschulden haben sich auf mehr als 16 Billionen Dollar summiert, bei Ihrem Amtsantritt waren es 10,6 Billionen. Das Wirtschaftswachstum ist bescheiden, die Arbeitslosigkeit hoch, das Haushaltseinkommen gesunken, die Armut gestiegen. Was machen Sie?

Nächste Frage: Einmal angenommen, Sie sind der Herausforderer und wollen an die Macht kommen. Doch mit Ihrer Beliebtheit ist es, um es vorsichtig auszudrücken, nicht weit her. Sie haben Ihr Geld als Hedgefonds-Manager verdient, wirken unnahbar und steif, gehören einer Religionsgemeinschaft an, die vielen suspekt ist. Was machen Sie?

Die Antwort auf beide Fragen ist dieselbe – den Gegner angreifen, so hart es geht. Wer mit dem eigenen Pfund nicht wuchern kann, muss zuschlagen. Und so war das herausragende Merkmal des amerikanischen Wahlkampfes 2012 die üble Nachrede. Sie wurde per Post verteilt, im Radio gesendet, lief pausenlos im Fernsehen. Finanziert wurden die Milliardenkosten dafür von Organisationen, die unbegrenzt Spenden einsammeln dürfen (den SuperPACs, das steht für „Political Action Committee“). Mit deren Hilfe ist die „character assassination“ zum wichtigsten politischen Propagandainstrument geworden.

Ungefähr ab dem Sommer hieß die entscheidende Frage nicht, wer den Wähler mit dem besten Programm bezirzt, sondern wer den Kontrahenten in die schlechteren Negativwerte stürzt. Die Strategie ging auf. Ende Juli waren bereits rund ein Drittel der Amerikaner „sehr negativ“ eingestellt – sowohl gegenüber Barack Obama als auch gegenüber Mitt Romney. Obamas Botschaft lautete: Mit mir war nicht alles gut, aber mit Romney wird alles noch viel schlimmer (aus „hope“ und „change“ und „Yes, we can“ wurde „Four more years“). Romneys Botschaft lautete: Schlimmer als mit Obama kann’s gar nicht werden.

Nun ist negative Wahlwerbung – das „mudslinging“, die Schlammschlacht – nichts Neues. Legendär ist das Duell im Jahr 1800, als Herausforderer Thomas Jefferson über Amtsinhaber John Adams streuen ließ, dieser sei ein „ekelerregender Pedant, widerlicher Heuchler, und er hat insgeheim einen hermaphroditischen Charakter, der weder die Kraft und Festigkeit eines Mannes aufweist noch die Weichheit und Sensibilität einer Frau“. Die Adams-Getreuen kübelten kaum weniger brutal zurück. Jefferson sei ein „gemeiner, niedriger Kerl, der Sohn einer halb-indianischen Mutter, gezeugt von einem Mulatten-Vater aus Virginia“.

Präsident Lyndon B. Johnson wiederum, der 1964 den herausfordernden Senator aus Arizona, Barry Goldwater, besiegte, hatte seinen Demokraten den Rat gegeben: „Verbreitet, dass er es mit Tieren treibt. Und dann lasst es ihn abstreiten.“

Derbheiten und Tiefschläge - auch bei Facebook und Twitter

Obama ruiniert Amerika, schwächt das Land in der Welt und knickt vor den Feinden der Freiheit ein: So tönt es von rechts. Romney ist eine Marionette des Kapitals, ein kaltherziger Sozialdarwinist und führt das Land in weitere Kriege: So tönt es von links. Das Romney-Lager zeigt verzweifelte junge Mütter, stets mit Baby auf dem Arm, die wegen der Obama-Politik ihre Familie nicht mehr ernähren können. Das Obama-Lager beschuldigt Romney, in seiner Zeit als Chef der Private-Equity-Firma „Bain Capital“ den Krebstod einer Frau verursacht zu haben, die ihre Krankenversicherung nicht mehr hätte bezahlen können.

Den Wähler widert’s an. Aber er ist das Opfer mehrerer Studien, die belegen, dass Negativaussagen über den Gegner einen längeren Erinnerungswert haben als positive Selbstdarstellungen. Außerdem mobilisieren sie die eigene Basis. Bei traditionell geringer Wahlbeteiligung ist die Mobilisierung ein wichtigerer Erfolgsfaktor als die Überzeugung von Unentschiedenen. Und zuletzt werden Derbheiten und Tiefschläge auch bevorzugt von den neuen sozialen Medien wie Twitter und Facebook verbreitet. Fieses findet rasch Resonanz.

Doch alles rächt sich. Als Obama vor vier Jahren Präsident wurde, trat er das Amt mit dem Versprechen an, durch einen neuen, überparteilichen Ton die alten ideologischen Gräben überwinden zu wollen. Den Konsens suchen, Brücken bauen, konstruktiv streiten, versöhnen: Damit traf er den Nerv auch vieler Wechselwähler. Heute bilanziert der „New-York-Times“-Kolumnist David Brooks, durch seine stark ausgeprägte Negativkampagne hätte ein wiedergewählter Präsident Obama „kein Mandat“ mehr für große politische Projekte (Grand Bargain).

Ein Präsident Romney würde natürlich nicht minder polarisieren. Also dürfte sich die Tendenz zur Blockbildung im Kongress, die Amerikas Politik ohnehin schon lähmt, nach der Wahl weiter verstärken. Gleich, wer gewinnt. Das Volk sehnt sich nach Eintracht, lässt sich aber am ehesten durch das Schüren von Zwist mobilisieren, was am Ende die Zwietracht unter den Repräsentanten nährt. Wahrlich, ein Teufelskreis.

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