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Konkurrenten. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (links) bekommt wohl einen ernsthaften Gegner bei der Wahl 2013 – den Münchner Oberbürgermeister Christian Ude von der SPD. Foto: Christof Stache/dapd

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Politik: Ude im Nacken

Seehofer versucht sich in Bayern mit Themen wie der Pkw-Maut zu profilieren, doch ihn schreckt vor allem der SPD-Herausforderer

Sie sollte das politische Sommerthema werden und der CSU Aufwind bringen. Doch schon jetzt geht dem Vorstoß die Luft aus: Kaum jemand interessiert sich mehr für die erneut erhobene Forderung nach einer Pkw-Maut auf deutschen Autobahnen, um das Fernstraßennetz zu sanieren und auszubauen. Er werde da „nicht lockerlassen“, hatte Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer Ende Juli angekündigt. Beim nächsten Berliner Koalitionsausschuss werde er das Thema auf die Tagesordnung bringen. Dann entschwand er zum Wandern ins Altmühltal.

Doch Seehofer, der sich rühmt, in langen Bahnen zu denken, hat schon den Herbst 2013 vor Augen, wenn in Bayern und im Bund gewählt wird – möglicherweise am gleichen Sonntag. Deshalb will er das Profil der CSU schärfen, auch im Konflikt und auf Kosten der Schwesterpartei CDU. Er werde „sehr stark auf die bayerische Karte setzen“, verkündete er jüngst bei einer CSU-Klausurtagung.

Seit einigen Tagen aber ist vieles anders im politischen Bayern. Die CSU ist in einer Art Schockstarre – ausgelöst durch die überraschende und blitzschnell eingetütete Spitzenkandidatur des beliebten Münchner Langzeit-Oberbürgermeisters Christian Ude für die SPD. „Wenn nicht irgendwo noch eine Bombe platzt, läuft alles zielstrebig in eine Richtung“, sagte Ude dem „Münchner Merkur“ zu seiner Selbstausrufung. Der Entschluss stehe „fast“ fest. Die Reaktionen seien ausnahmslos zustimmend. Das spiele bei seinem Entschluss eine „positive Rolle“. Die Zustimmung von Ehefrau Edith von Welser-Ude habe er noch nicht, aber: „Der Widerstand bröckelt.“ Ude hat die Stellung so schnell bezogen, dass kein SPD-Gremium in der Ferienzeit noch hätte entscheiden können. Die seit Jahrzehnten darniederliegenden bayerischen Sozialdemokraten sind dennoch zu einer begeisterten Partei geworden, die einen wie aus dem Nichts kommenden Hoffnungsträger bejubelt. Ude hat gute Chancen, im Verbund mit den Grünen und den Freien Wählern die CSU in die Opposition zu schicken. Er lässt keinen Zweifel, dass nur das sein Ziel ist – und nicht etwa als Juniorpartner in eine große Koalition mit der CSU zu ziehen. Die Christsozialen stellen traditionell in Bayern den Ministerpräsidenten – mit Ausnahme eines vier Jahre währenden SPD-Intermezzos in den 50erJahren.

Selbst die bayerischen Jusos bejubeln Ude und akzeptieren sogar seine Bedingungen für den Job des Seehofer-Herausforderers: die Zustimmung der Partei zu zwei umstrittenen Großprojekten, nämlich der dritten Startbahn am Münchner Flughafen (welche die SPD bisher strikt ablehnt) und einer zweiten Tunnelröhre für die chronisch überlastete Münchner S-Bahn. Kritische Stimmen sind bislang Einzelfälle. So zeigte sich der Freisinger Oberbürgermeister Dieter Thalhammer „sehr enttäuscht“ über die Bedingungen seines Amtskollegen und Parteifreundes. Auch Ude müsse gewisse Festlegungen innerhalb der Partei respektieren und sollte nicht in einer „erpresserischen Art“ Forderungen stellen, sagte Thalhammer. Er warf Ude ein „undemokratisches Verhalten vor“. Grundsätzlich aber sehe er Udes voraussichtliche Kandidatur positiv und werde sie auch unterstützen.

Für die CSU erweist sich Ude als schwer angreifbar. Sein fortgeschrittenes Alter von jetzt 63 Jahren lässt sich ihm nicht ankreiden, denn Seehofer ist nur zwei Jahre jünger. Dass er als Münchner Stadtbürger zu sehr auf die Metropole und Oberbayern fixiert sei, wird sich nicht ausschlachten lassen – Seehofer ist auch Oberbayer, Bürger in anderen Landesteilen wie Franken oder Niederbayern fühlen sich vielfach gerade von der CSU nicht gut vertreten. Auch genießt Ude hohes Renommee als langjähriger Präsident des deutschen Städtetags, was zeigt, dass er durchaus auch weit über das Münchner Stadtgebiet hinausblicken kann. Der Kandidat gibt schon jetzt Beispiele, wie er mit selbst gesetzten Themen die Christsozialen treiben möchte. Als schlagkräftig erweist sich seine Kritik am „Ausverkauf“ und an der Privatisierung von kommunalem und Landesbesitz. Ude wendet sich gegen das Abstoßen öffentlichen Eigentums wie Stadtwerken oder Wohnungsgesellschaften. Genau das war ein wesentlicher Kern der Politik Edmund Stoibers. Als aktuelles Beispiel für die Folgen eines solchen Rückzugs der Politik nennt Ude die drastischen Personalkürzungspläne des Energieversorgers Eon. Dieser hatte 1994 die landeseigene und dann privatisierte Bayernwerk AG geschluckt, jetzt soll der Standort München aufgegeben werden. Als Kontrast verweist Ude auf die Stadtwerke München – ein florierendes kommunales Unternehmen, das mit seiner Ökostrom-Produktion jetzt noch mehr glänzt.

Der Gegner reagiert vorerst mit Spott. Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) sagte, Ude wolle „den Phantomschmerz über seinen politischen Ruhestand“ bekämpfen. Der 63-Jährige darf aus Altersgründen nicht noch einmal für das Amt des Oberbürgermeisters kandidieren. Eine gesetzliche Altersgrenze für das Ministerpräsidentenamt in Bayern gibt es dagegen nicht. Spaenle warnte Ude davor, sich nur noch einseitig dem Wahlkampf zu widmen. Die CSU werde „kritisch begleiten“, ob Ude bis zur Landtagswahl im Jahr 2013 noch seine Aufgaben als Rathauschef vernünftig wahrnimmt. Der CSU-Politiker nannte es „ein Stück weit unanständig“, mit welchem Selbstverständnis Ude seine Partei und den Wähler unter Druck setze und Konditionen formuliere „nach dem Motto: Entweder ihr wählt mich, oder ich gehe in den Ruhestand“. Ude hatte nämlich erklärt, dass er bei einem Misserfolg nicht Oppositionsführer im Landtag werden wolle. mit dapd, AFP

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