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Politik: Über Freizügigkeit sind alle heillos zerstritten - Verhandlungen über die schwierigste Frage der nächsten Beitrittsrunde

Am kommenden Donnerstag beginnt eines der schwierigsten Kapitel in den Verhandlungen der Europäischen Union mit den ersten sechs Bewerberstaaten für den EU-Beitritt. Es geht um die Freizügigkeit für Arbeitnehmer.

Am kommenden Donnerstag beginnt eines der schwierigsten Kapitel in den Verhandlungen der Europäischen Union mit den ersten sechs Bewerberstaaten für den EU-Beitritt. Es geht um die Freizügigkeit für Arbeitnehmer. Die zentrale Frage dabei ist, unter welchen Bedingungen und ab wann Arbeitnehmer aus den Beitrittsländern sich in den Mitgliedsstaaten einen Arbeitsplatz suchen dürfen. Die Konfliktlinien verlaufen dabei keineswegs nur zwischen der EU und den Kandidaten. Auch die EU-Mitglieder untereinander sind trotz gemeinsam verabschiedeter allgemein gehaltener Verhandlungspositionen heillos zerstritten. Während einige Länder, etwa Spanien, behaupten, auf vorübergehende Einschränkungen der Freizügigkeit verzichten zu wollen, weisen andere darauf hin, dass erst am Schluss der Verhandlungen über Übergangsfristen entschieden werden soll. Wieder andere jedoch sind sehr besorgt über eine drohende Belastung der Arbeitsmärkte und wollen dies schon jetzt zur Sprache bringen.

Zu letzteren gehört Österreich. Gegenwärtig arbeiten 70 bis 80 Prozent aller 300 000 legalen Arbeitnehmer aus Mittel- und Osteuropa innerhalb der EU in Deutschland und Österreich. Die meisten allerdings in Deutschland. Die EU-Kommission geht davon aus, dass es zusätzlich 600 000 Illegale in den EU-Staaten gibt, vor allem in den Grenzländern. Österreich legte deshalb jüngst ein Papier vor, das präzise die Unterschiede in den Einkommen, das beträchtliche Potenzial von über die Grenze pendelnden Arbeitnehmern aus Ungarn, der Slowakei, Tschechien und Slowenien und die begrenzte Aufnahmefähigkeit des österreichischen Arbeitsmarktes beschreibt. Wien fordert angesichts seiner langen Grenze zu vier beitretenden osteuropäischen Ländern konkrete Übergangsregelungen.

Deutschland dagegen will sich nicht so genau äußern. Die betroffenen Ressorts hätten sich darauf geeinigt, keine Angaben zur Dauer der gewünschten Übergangsfristen zu machen, sagten deutsche Diplomaten gestern in Brüssel. Man wolle alles dagegen tun, dass sich die öffentliche Meinung in Deutschland gegen die EU-Erweiterung wende. Deshalb werde man auch zu den Prognosen der EU-Kommission zum Ausmaß der geplanten Wanderungsbewegungen nichts sagen. Die EU-Kommission schreibt in einem internen Gutachten, dass jährlich etwa 150 000 Arbeitnehmer aus den Beitrittsstaaten Polen, Estland, Ungarn, Tschechien und Slowenien Arbeit in anderen EU-Mitgliedsländern suchen werden. Diese Angaben gehen von einem Beitrittsdatum im Jahr 2002 aus. Die Zahlen ändern sich aber je nach Arbeitsmarkt- und Lohnentwicklung sowie dem genauen Zeitpunkt des Beitritts und sagen dadurch nur wenig über die tatsächlich zu erwartende Wanderung aus.

Mariele Schulze Berndt

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