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Politik: Überfülltes Eiland

Die 200 Kilometer vor Beirut gelegene Mittelmeerinsel Zypern ächzt unter der Flüchtlingswelle

Dicht an dicht parken die Militärtransporter, Hubschrauber und Charterflugzeuge auf dem Vorfeld des Flughafens von Larnaca an Zyperns Südküste. Während die Crews am Boden alles versuchen, die Maschinen so schnell wie möglich abzufertigen und wieder in die Luft zu bekommen, kreisen über dem Meer bereits die anfliegenden Jets in der Warteschleife. Auf 160 Flugbewegungen pro Tag ist Larnaca in der Urlaubshochsaison eingerichtet, aber am Freitag dürften es über 200 gewesen sein. „Wir kommen an die Grenzen unserer Kapazität“, sagt ein Sprecher der zyprischen Zivilluftfahrtbehörde. Die Behörden versuchen deshalb, so viele Flüge wie möglich auf den Airport von Paphos und den Militärflugplatz „Andreas Papandreou“ umzuleiten. Auch die britische Luftwaffenbasis Akrotiri soll für Evakuierungsflüge genutzt werden.

Man spricht von der größten Evakuierungsaktion seit dem Zweiten Weltkrieg – und Zypern, 200 Kilometer vor Beirut gelegen, ist die erste Station der meisten Flüchtlinge, die jetzt überstürzt den Libanon verlassen. Die Infrastruktur der Insel, die nur knapp eine Million Einwohner zählt, droht unter dem Ansturm der Flüchtlinge zusammenzubrechen. Die Regierung schätzt, dass in weniger als einer Woche 20 000 Ausländer auf der Flucht vor dem Bombenhagel auf der Mittelmeerinsel gelandet sind. Die Behörden rechnen mit bis zu 55 000 weiteren Flüchtlingen.

Auch die Häfen von Larnaca und Limassol platzen aus allen Nähten. Auf gecharterten Autofähren, Kreuzfahrtschiffen und an Bord von Kriegsschiffen kommen die Flüchtlinge. Rund tausend Amerikaner brachte die „USS Nashville“ in der Nacht zum Freitag nach Larnaca, etwa die gleiche Zahl traf an Bord des Kreuzfahrers „Orient Queen“ auf Zypern ein, das britische Landungsschiff „HMS Bulwark“ brachte 2000 Menschen, die Zerstörer „Gloucester“ und „York“ transportierten auf mehreren Fahrten etwa 600 Flüchtlinge nach Larnaca und Limassol.

„Wir haben nichts mitnehmen können außer ein paar Kleidungsstücken“, sagt die Niederländerin Anna Choucair. Zehn Jahre lebte die 30-Jährige mit ihren beiden Kindern im Libanon. „Es war das blanke Chaos“, beschreibt der 17-jährige Amerikaner Nafeasee Kenaio die Flucht. Allein mehr als 6000 US-Bürger fanden bislang auf der Mittelmeerinsel Zuflucht. Mit weiteren 2200 Flüchtlingen rechnet US-Botschafter Schlicher.

Die größte Herausforderung ist der rasche Weitertransport der Flüchtlinge in ihre Heimatländer. Denn auf Zypern gibt es keine freien Betten mehr. 25 Schulen in Limassol und Larnaca wurden zu Flüchtlingslagern umfunktioniert. Die US-Botschaft hat ein Durchgangslager auf dem Messegelände von Nikosia eingerichtet. Die EU kündigte unterdessen an, sie werde auf Bitten Zyperns ein Team und Medikamente zur Insel schicken.

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