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Politik: Überraschender Rückzug

Die türkischen Truppen haben den Nordirak verlassen – Beobachter vermuten, auf Druck der USA

Ein Heldenempfang sieht anders aus. Müde und erschöpft wirkten die türkischen Soldaten, die am Freitag auf Lastwagen durch die matschigen Straßen der südosttürkischen Kleinstadt Cukurca zu ihrer Kaserne fuhren. Nur die Kamerateams türkischer Fernsehsender und ein paar Passanten standen am Straßenrand. Nach gut einer Woche hat die türkische Armee ihre Offensive gegen die PKK- Kurdenrebellen im Nordirak beendet. Ob sie ihre Ziele erreicht hat, ist unklar. Sicher ist dagegen, dass es vermutlich nicht lange bis zu neuen türkischen Angriffen auf die PKK im Nordirak dauern wird. Fest steht aber auch, dass der völlig überraschende Rückzug wie eine Niederlage Ankaras aussieht.

Mit der Bodenoffensive wollte die türkische Armee Stützpunkte, Depots und Verbindungswege der PKK im Nordirak zerstören. Das betraf unter anderem das Lager in Zap, rund zehn Kilometer hinter der Grenze. Von Zap aus hatte die PKK viele Angriffe in der Türkei vorbereitet. Zeitungen hatten berichtet, die Armee habe das Lager eingekreist; ob es zerstört wurde, ist nicht bekannt. Natürlich könne die PKK nicht mit einer einzigen Militäraktion zerschlagen werden, gestand der Generalstab. Die Offensive habe aber gezeigt, dass Iraks Norden kein sicheres Gebiet mehr für sie sei.

In ersten Reaktionen zeigten sich selbst Ex-Offiziere in der Türkei überrascht von dem plötzlichen Abzug der Truppen. Es gebe doch noch sieben oder acht große Stützpunkte der PKK im nordirakischen Grenzgebiet, sagte der pensionierte General Necati Özgen. Noch bevor alle Truppen wieder auf türkischem Boden waren, begann deshalb die Diskussion darüber, warum der Rückzug nur einen Tag nach dem Besuch von US-Verteidigungsminister Robert Gates und nach der Forderung von US-Präsident George W. Bush nach einem raschen Ende der türkischen Aktion eingeläutet wurde. Die US-Forderungen hätten keinerlei Rolle gespielt, betonte der Generalstab, doch so mancher Beobachter ist anderer Meinung. Der schnelle Abzug vermittele den Eindruck, als habe sich die Türkei dem Druck der Amerikaner gefügt, sagte der Journalist Rusen Cakir im Fernsehen.

Die PKK jubelte jedenfalls: Der Rückzug sei ein „Sieg für Kurdistan und die PKK“, sagte ein Sprecher. Die Organisation hat in den vergangenen Jahrzehnten mehr als ein Dutzend türkische Einmärsche überstanden – auch diesmal dürfte sie versuchen, sich wieder neu zu formieren. Alle Experten sind sich jedoch einig, dass es nicht um die letzte türkische Intervention im Nachbarland handele. Seit die Türkei am 5. November vergangenen Jahres von den USA grünes Licht für begrenzte Militärschläge gegen die PKK im Irak erhielt, kann sie auf der Basis amerikanischer Geheimdienstdaten gezielte Nadelstiche führen. Seit Dezember fliegen türkische Kampfjets Luftangriffe auf PKK-Ziele in den nordirakischen Bergen, auch Artilleriebeschuss und Vorstöße kleinerer Kommandoeinheiten am Boden hat es bereits gegeben.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Art von begrenzten Aktionen der Türken auch in den kommenden Wochen weitergehen werden. Während der Rückzug der Bodentruppen noch lief, unternahmen türkische Kampfflugzeuge neue Aufklärungsflüge über dem Nordirak. Eine Zeitung berichtete am Freitag zudem, die türkischen Militärs wollten eine Reihe neuer Stützpunkte auf irakischem Boden errichten, um es den PKK-Kämpfern zu erschweren, in die Türkei einzusickern.

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