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Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei einer Pressekonferenz der Bundeswehr.

© dpa

Ukraine-Krise: Soll der deutsche Wehretat erhöht werden?

Wegen der Ukraine-Krise fordern manche eine Erhöhung des deutschen Wehretats, um die Welt sicherer zu machen. Doch gewichtige Gründe sprechen gegen einen solchen Schritt.

Von Hans Monath

Beim letzten Besuch in Berlin hatte Anders Fogh Rasmussen eine unbequeme Botschaft für seine Gastgeber parat. Der russische Übergriff auf die Ukraine sei „ein Weckruf“, sagte der scheidende Nato-Generalsekretär und forderte, Deutschland müsse wie andere europäische Nato-Mitglieder seine Verteidigungsausgaben kräftig erhöhen. Zwei Monate später, zum Nato-Gipfel, bekräftigten einige Unionspolitiker die Forderung nach mehr Geld für die Bundeswehr.

Die Klage über ungleiche Verteidigungslasten im Bündnis, in dem die USA den Hauptanteil der Sicherheitskosten für die Partner in Europa tragen, ist alt, hat aber durch den Krieg in der Ukraine neue Aktualität gewonnen. Tatsächlich verfehlte Deutschland auch im vergangenen Jahr wieder das Ziel, mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben. Allerdings blieben auch die meisten Verbündeten unter dem Richtwert, der aber nicht verbindlich ist. Nur die USA (4,4), Großbritannien (2,4), Griechenland (2,3) und Estland (2,0) erfüllen diese Quote. Frankreich (1,9) und die Türkei (1,8) liegen knapp dahinter. Deutschland bringt es auf 1,3 Prozent – anteilig immer noch mehr als zehn andere Nato-Staaten.

Freilich weiß man auch in Berlin, dass von einem Land mit der Wirtschaftskraft und Einwohnerzahl Deutschlands ein anderer Sicherheitsbeitrag erwartet wird als von erheblich kleineren Staaten. Dass Estland den Richtwert genau erfüllt, dürfte für die Verteidigungsfähigkeit Europas weniger relevant als eine theoretische denkbare Erhöhung des Wehretats in Deutschland um Zehntel-Prozente.

Eskalation befürchtet

Nicht nur wegen des strikten Sparkurses, sondern auch aus sicherheitspolitischen Erwägungen will die Bundesregierung der Forderung nicht folgen. Die SPD warnt ohnehin vor Schritten hin zu einer Eskalation des Streits mit Russland. „Derzeit muss unser Augenmerk auf der täglichen Einhegung des gewaltsamen Konflikts in der Ukraine liegen“, fordert Fraktionsvize Rolf Mützenich: „Es gibt nur eine politische Lösung.“ Jede Diskussion über militärische Folgen führe zu mehr Verunsicherung, meint der Sozialdemokrat und empfiehlt, sprachlich abzurüsten. Wichtiger als Diskussionen um höhere Rüstungsetats seien die „effektivere Nutzung vorhandener Ressourcen sowohl national als auch multinational“.

Aber auch in der Union halten gewichtige Stimmen eine Erhöhung des Verteidigungsetats nicht für geboten. Die klinge angesichts internationaler Krisen „zunächst plausibel“, sagt etwa der Rüstungsexperte Roderich Kiesewetter (CDU). Die Bundeswehr könne momentan aber nicht einmal alle zugesagten Mittel abrufen und verwenden. „Eine pauschale Erhöhung des Verteidigungsetats ist somit derzeit keine Lösung“, meint der Ex- General. Viel wichtiger sei, die Bundeswehrreform zu Ende zu führen und genau darauf zu achten, dass diese Lösung langfristig bestehen könne.

Welche Rolle spielt Deutschland?

Geht es nach Kiesewetter, muss der Bundestag die außen- und sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands und spezifisch deutsche Aufgaben definieren, die auch bestimmte Regionen betreffen können. Zudem müsse die deutsche Politik mit den Partnern und mit der eigenen Bevölkerung intensiver über Sicherheitspolitik reden. Fazit: „Die Entwicklung dieser Punkte kostet viel Geld, das hier besser angelegt ist als in einer kurzfristigen pauschalen Erhöhung des Verteidigungsetats.“

Auch aus der Wissenschaft kommt Unterstützung für diese Haltung. „Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Ukraine-Krise und einer Erhöhung der Rüstungsausgaben“, sagt Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik: „Selbst wenn wir 20 Milliarden mehr in den Haushalt stecken, bleibt immer noch die Frage, was wir kaufen sollen, um uns gegen das zu wehren, was in der Ukraine passiert. Wir sehen Subversion statt Invasion, russische Propaganda und wirtschaftlichen Druck.“ Auch sei der deutsche Beitrag zu einer höheren Nato-Militärpräsenz in Osteuropa keineswegs so teuer, dass er einen höheren Wehretat rechtfertige. Mehr Geld, so Kaim, sei nur dann notwendig, wenn Deutschland sich endlich generell dazu durchringe, seine Rolle bei der internationalen Konfliktsicherung auszubauen.

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