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Ukraine: Rosenkrieg statt Revolution

Die Koalition der Reformkräfte in der Ukraine ist abermals gescheitert. Auslöser ist ein Streit zwischen Juschtschenko und Premierministerin Julia Timoschenko nach dem Georgien-Krieg.

Zur Beruhigung tragen die Worte des Präsidenten nicht bei. Er werde über die Ukraine nicht den Ausnahmezustand verhängen, erklärte Viktor Juschtschenko in diesen Tagen. Als sich danach noch Verteidigungsminister Juri Jechanurow zu Wort meldete und versicherte, dass die Armee des Landes auf keinen Fall an einer gewaltsamen Beilegung der politischen Krise teilnehmen würde, befürchteten manche das Schlimmste.

Anlass für die markigen Aussagen ist ein Streit zwischen Juschtschenko und Premierministerin Julia Timoschenko nach dem Georgien-Krieg. Der Präsident wirft der Regierungschefin vor, heimliche Absprachen mit Moskau zu treffen und aus diesem Grund auf die Kritik an Russlands Kaukasus-Einsatz verzichtet zu haben. An dem Streit ist nun auch das Bündnis der Reformer gescheitert: Die Koalition soll an diesem Dienstag offiziell aufgelöst werden. Die im Parlament vertretenen Parteien haben dann 30 Tage Zeit, eine neueKoalition zu bilden. Sollte dies scheitern, will Juschtschenko für Dezember Neuwahlen ansetzen.

Die beiden Protagonisten ließen kaum eine Gelegenheit aus, um den Gegner zu reizen. So wurde Timoschenko jüngst von der Staatsanwaltschaft vorgeladen, um zu dem Giftanschlag auf den Präsidenten im Jahr 2004 auszusagen. Der Staatschef hatte kürzlich den Verdacht geäußert, sein früherer Mitarbeiter David Schwania, der mittlerweile Timoschenko nahe steht, habe ihn vergiftet. Die Politikerin war darüber alles andere als amüsiert. „Wenn jemand, der als Konkurrent des Präsidenten für die nächste Wahl gilt, des Hochverrates und der Spionage zugunsten des Kreml beschuldigt und dann noch wegen der Vergiftung von Viktor Juschtschenko in die Staatsanwaltschaft vorgeladen wird, so will ich das nicht kommentieren. Alles ist ohnehin klar“, sagte Timoschenko vor dem Verhör.

Die Premierministerin glaubt sich dem politischen Dauerfeuer ihres ehemaligen Weggefährten während der orangenen Revolution ausgesetzt und gibt dem Präsidenten die Schuld am politischen Chaos. Juschtschenko aber scheint Timoschenko inzwischen alles zuzutrauen, wenn es ihr darum geht, ihre politischen Ziele zu erreichen – sogar Landesverrat.

Timoschenko wiederum wirft dem Präsidenten vor, dass er sie heimlich überwachen lasse, um belastendes Material gegen sie zu sammeln. „Ich werde seit vielen Monaten 24 Stunden am Tag beschattet“, erklärte sie öffentlich. Doch damit nicht genug. Zudem würden stellvertretende Staatsanwälte vom Juschtschenko- Lager unter Druck gesetzt, ein Verfahren gegen sie zu eröffnen. Im Gegenzug sei ihnen das Amt des Staatsanwalts in Aussicht gestellt worden.

Je hartnäckiger der Präsident sie bekämpft, desto mehr ist Timoschenko daran gelegen, sich staatstragend zu präsentieren. Ihr sei trotz des Konfliktes an einer Fortsetzung der prowestlichen Koalition in der Ukraine gelegen, sagte Timoschenko noch vor kurzem und forderte den Staatschef zur Zusammenarbeit auf. Sollte Juschtschenko den Bruch rückgängig machen, sei sie im Gegenzug bereit, den Präsidenten für eine weitere Amtszeit zu unterstützen, teilte sie nach Angaben der Agentur Interfax in Kiew mit. Der aber will sich darauf auf keinen Fall einlassen. Ein Sprecher der Präsidentenpartei „Unsere Ukraine“ erklärte, dass die Rückkehr in die Koalition erst möglich werde, wenn der Timoschenko- Block eine Erklärung des Präsidenten unterstütze, in der Russland die Verantwortung für den Georgien-Konflikt gegeben wird. Zudem müssten die bereits beschlossenen Gesetze, die die Macht des Präsidenten einengen, zurückgenommen werden.

Knut Krohn[Warschau]

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