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Prozess: Ukraine sucht Ausweg im Fall Timoschenko

An diesem Dienstag soll das Urteil gegen die frühere Regierungschefin fallen.

Julia Timoschenko hat ihre Anhänger zu einer großen Demonstration vor dem Bezirksgericht des Kiewer Stadtteils Petschersk zusammengerufen. „Die Demokratie ist in Gefahr“, warnte ihre Oppositionspartei „Batkiwtschina“ („Vaterland“) in einem Aufruf am Montag. An diesem Dienstag soll in einem Urteil entschieden werden, ob die damalige Regierungschefin Timoschenko im Jahr 2009 ihrem Land einen millionenschweren Schaden zufügte, als sie Gas-Lieferverträge mit Russland abschloss.

Allerdings ist unsicher, ob es heute tatsächlich zu einem Urteil kommt, nachdem der Prozess gegen Timoschenko mehrmals unterbrochen worden war. „Staatspräsident Viktor Janukowitsch hat so viel Angst vor dem Volk, dass das Urteil verschoben werden kann“, heißt es auf der Homepage der Timoschenko-Partei für alle Fälle. Ende September hatte der Gerichtspräsident nach Protesten die bisher letzte Beratungspause in dem umstrittenen Verfahren anberaumt.

Allerdings klingen die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen Timoschenko reichlich konstruiert. So soll die einstige Regierungschefin bei den Verhandlungen mit dem russischen Regierungschef Wladimir Putin über Gaslieferungen Anfang 2009 ihre Kompetenzen überschritten und dem ukrainischen Staatshaushalt einen Schaden von umgerechnet 150 Millionen Euro zugefügt haben. Der Ukraine war damals der Gashahn zugedreht worden, auch in Westeuropa war der Gasdruck massiv abgefallen, es kam zu großen Lieferengpässen. Die Regierungschefin befand sich unter enormem Druck. Russland nutzte diese Schwäche aus und diktierte den Preis. Die Staatsanwaltschaft hat für dieses angebliche Vergehen zwar sieben Jahre Haft gefordert, Timoschenko allerdings keine persönliche Bereicherungsabsicht unterstellt. Die ukrainische Opposition sowie auch Brüssel und Washington sehen hinter der Anklage einen politischen Rachefeldzug der heutigen Regierungsmannschaft. Diese wird von Timoschenkos einstigen Gegenspielern bei der „Orangen Revolution“ von 2004 angeführt.

Die EU hat deshalb von Staatspräsident Janukowitsch nachdrücklich eine Lösung gefordert. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton mahnt Kiew seit Wochen, dass die Beachtung demokratischer Prinzipien und eine unabhängige, faire Justiz die Basis für die künftigen Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine bilden sollen. Am Montag befassten sich auch die EU-Außenminister in Luxemburg mit dem Fall Timoschenko.

Die Stimme der EU gilt wieder etwas in Kiew, denn die Ukraine will noch in diesem Jahr ein Assoziationsabkommen mit Brüssel unterzeichnen, das ihr auch eine Zollfreihandelszone eröffnet. Die Verhandlungen sind weit fortgeschritten, die offensichtlich politisch motivierten Strafprozesse gegen Vertreter der einstigen, pro-westlichen Regierung haben ihren Abschluss aber verzögert. Frankreich hat bereits gefordert, die Verhandlungen über das Assoziationsabkommen vorübergehend auf Eis zu legen.

Einen Ausweg aus der Sackgasse könnte die Annullierung einiger Strafgesetz-Paragrafen aus der Sowjetzeit bieten. Mit der Streichung der Bestimmungen hat das von Janukowitschs „Partei der Regionen“ beherrschte Parlament am Mittwoch begonnen. Eine vom oppositionellen Abgeordneten Wiatscheslaw Kyrylenko eingebrachte Gesetzesnovelle, die Timoschenkos sofortige Freilassung nach sich gezogen hätte, scheiterte allerdings klar.

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