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Politik: Ulla Schmidt will an Arznei sparen

Ärzte werden für Verordnungen haftbar gemacht / Pharmaindustrie muss Preise senken / Kassen machen Gewinn

Berlin - Mit einem milliardenschweren Arzneimittelsparpaket will Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) im kommenden Jahr erreichen, dass die Krankenkassenbeiträge stabil bleiben. Ein entsprechender Gesetzentwurf, der dem Tagesspiegel vorliegt, soll im April 2006 in Kraft treten. Schmidt löste mit ihrer Initiative Irritationen in der Union aus. Denn bevor die Ministerin den Gesetzentwurf am Mittwoch der Unionsfraktionsspitze zuleitete, war er schon bei den betroffenen Verbänden im Umlauf.

Die Union macht ihre Kritik vor allem am Stil fest. Schließlich ist das 16-seitige Papier als Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und CDU/CSU gekennzeichnet – ohne dass die Unionsfachleute ihre Zustimmung gegeben hätten. Die grundsätzliche Zusammenarbeit zwischen Union und SPD in der großen Koalition soll voraussichtlich den Koalitionsausschuss am 8. Dezember beschäftigen. Ein Ministeriumssprecher sagte am Freitag, es gebe keine Abstimmungsprobleme mit der Union. Das Vorgehen sei zwischen den Spitzen der Koalitionsfraktionen besprochen worden.

Über die Inhalte gibt es keine grundsätzlichen Differenzen. Mit dem Maßnahmenpaket, das pro Jahr zwei Milliarden Euro einsparen soll, hat sich das Ministerium an den Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag orientiert. Gesundheitsministerin Schmidt schlägt konkret vor, dass Ärzte zukünftig für ihr Verordnungsverhalten belohnt oder bestraft werden sollen. Wenn ein Mediziner seinen Patienten nur wenig Arzneimittel verschreibt, soll er einen finanziellen Bonus erhalten. Bei umfangreichen Verordnungen müssen Ärzte dagegen mit einem Malus rechnen.

Die Medikamentenpreise sollen bis Ende 2008 eingefroren werden. Die Pharmaindustrie soll verpflichtet werden, die für 2007 geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent nicht an die Krankenkassen weiterzugeben, sondern darauf zu verzichten. Das bedeutet faktisch, dass die Hersteller ihre Preise senken müssen. Außerdem sollen die so genannten Naturalrabatte verboten werden: Bisher geben Pharmafirmen einen Teil ihrer Präparate kostenlos an die Apotheken ab. Wenn diese die Medikamente an Patienten weiterverkaufen, wird das zu Lasten der gesetzlichen Kassen abgerechnet. Nach dem Willen der Ministerin sollen zudem Generika um fünf Prozent günstiger werden. Generika sind Nachahmerpräparate, die als häufig günstigere Kopien eines Originalmedikaments auf den Markt kommen. Firmen wie Ratiopharm und Hexal gehören zu den großen Generikaherstellern in Deutschland. Die Politik hatte in der Vergangenheit immer wieder kritisiert, dass deutsche Generika im Vergleich zu Großbritannien zu teuer sind.

Auf das Sparpaket hatten sich Union und SPD verständigt, weil die Arzneimittelausgaben 2005 wieder deutlich steigen. Die Krankenkassen werden nach Angaben des Ministeriums in diesem Jahr voraussichtlich 3,5 Milliarden Euro oder 16 Prozent mehr als 2004 ausgeben. Der starke Anstieg verringert knapp zwei Jahre nach dem Start der Gesundheitsreform auch die Überschüsse der gesetzlichen Krankenkassen. Nach den ersten drei Quartalen 2005 lag das Plus nur noch bei 882 Millionen Euro, teilte das Ministerium am Freitag mit. Schmidt warf der Selbstverwaltung von Kassen und Ärzten vor, bei der Kostendämpfung versagt zu haben. Deshalb müsse der Gesetzgeber eingreifen, damit es nicht schon 2006 wieder zu einem Defizit bei den Krankenkassen komme.

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