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Politik: Umfrage: Visa-Affäre lässt Fischer abstürzen

Die Visa-Affäre hat Außenminister Joschka Fischer einen dramatischen Ansehensverlust beschert. Erstmals nach drei Jahren verlor er im ZDF-Politbarometer seinen Spitzenplatz als wichtigster Politiker. Jetzt will er um seinen Ruf kämpfen.

Berlin (25.02.2005, 15:38 Uhr) - Beim Wahlparteitag der NRW-Grünen an diesem Samstag in Köln werde Fischer «kämpferisch darlegen, wie er die aktuelle Lage sieht - inhaltlich und auch politisch, was die Debatte um seine Person angeht», sagte Grünen-Landessprecher Michael Ortmanns.

Nach der Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF rutschte der Außenminister auf einer Skala von +5 bis -5 von 1,6 auf 0,8 Punkte ab. Er landete damit auf dem zweiten Platz hinter dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU), der 1,1 Punkte erreichte. Die Partei der Grünen kam nach neun Monaten erstmals wieder unter zehn Prozent. Sie bekäme nur noch neun Prozent, wenn an diesem Sonntag Bundestagswahl wäre. Nach einer Infratest-dimap-Umfrage im Auftrag der ARD liegen die Grünen unverändert bei 11 Prozent.

SPD und Grüne in Nordrhein-Westfalen dringen mit Blick auf die Landtagswahl am 22. Mai auf eine schnelle Klärung der Visa-Affäre. Die Opposition im Bundestag wirft Fischer und den Grünen vor, sie hätten mit einer liberalen Visa-Politik in den vergangenen Jahren Missbrauch vor allem an der deutschen Botschaft in Kiew Vorschub geleistet und so ein Einfallstor für Schwarzarbeiter, Menschenhandel und Zwangsprostitution geschaffen.

Im Untersuchungsausschuss des Bundestages haben SPD und Grüne bislang eine frühzeitige Aussage Fischers verhindert. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer verteidigte dies. Es mache keinen Sinn, einen Zeugen im Untersuchungsausschuss zu hören, wenn man ihm nicht aus den Akten Vorhalte machen könne, sagte er im Deutschlandradio.

Beck distanziert sich von Rot-Grün

Bütikofer kündigte an, seine Partei wolle die Affäre «restlos aufklären». Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident und SPD-Vize Kurt Beck riet seiner Partei angesichts der jüngsten Wahlergebnisse, «sich nicht allein auf Rot-Grün zu versteifen».

Bütikofer will an diesem Samstag beim Berliner Landesparteitag zu der Visa-Affäre Stellung nehmen. Man müsse «den ganzen Vorwürfen klar nachgehen», sagte er in der ZDF-Sendung «Berlin Mitte». Das müsse nicht zuletzt deshalb geschehen, «weil da so viel Unsinn in den Raum gestellt worden ist». Fischer wird in Köln nach Grünen-Angaben seine etwa einstündige Rede mit der Visa-Affäre einleiten. Zu dem Parteitag sind neben 280 Delegierten rund 350 Journalisten angemeldet.

Kurt Beck, der in Mainz mit der FDP regiert, sagte der «Bild»- Zeitung: «Ich glaube nicht, dass Rot-Grün ein Auslaufmodell ist.» Die jüngsten Wahlen zeigten aber auch, dass es wichtig sei, dem Wähler verschiedene Modelle anzubieten. Bei der Landtagswahl in Schleswig- Holstein am vergangenen Sonntag sei die SPD auch für Probleme in Mithaftung genommen worden, die eigentlich die Grünen beträfen. Dazu gehöre auch der Visa-Missbrauch. «Unsere Wähler finden es nicht in Ordnung, dass Menschen zu uns kommen, die dazu kein Recht haben.»

Inwieweit Außenminister Fischer bei der Visa-Affäre eine persönliche Schuld trifft, blieb in den Umfragen umstritten. Laut Politbarometer bejahten dies 42 Prozent, 41 Prozent gingen nicht davon aus. Unter den SPD- und Grünen-Anhängern hielt jeweils rund ein Viertel (26 beziehungsweise 24 Prozent) Fischer für verantwortlich, bei den Anhängern von Union und FDP waren es 58 beziehungsweise 65 Prozent. Für einen Rücktritt Fischers war laut Infratest-dimap jedoch nur etwa ein Viertel der Deutschen (24 Prozent), 71 Prozent sprachen sich dagegen aus. (tso)

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