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Diffuser Protest. "Pegida"-Demonstranten am Montag in Dresden. Im Hintergrund eine Friedensfahne.

© Reuters

Umgang mit Flüchtlingen: "Pegida" lebt von der Unentschiedenheit der Parteien

Ernst nehmen, aber nicht aufnehmen, was an Vorwürfen kommt: Das hat sich die Union für den Umgang mit "Pegida" vorgenommen. Das führt weiter, als die Moralkeule zu schwingen - und doch nicht weit genug. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Werner van Bebber

So ein böses Wort hat die Kanzlerin öffentlich lange nicht mehr verwendet. In Richtung der „Pegida“-Anhänger sprach sie von „Hetze“ und „Verleumdung von Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen“. In Anbetracht der gewohnten Merkel’schen Zurückhaltung bei innerdeutschen Streitereien war das sehr deutlich.

Ernst nehmen, aber nicht aufnehmen, was an Vorwürfen kommt: Das haben sich Merkel und andere führende Unionspolitiker für den Umgang mit den „Pegida“-Bewegten vorgenommen. Womöglich führt das weiter, als nach Art der SPD-Frontmänner Heiko Maas und Ralf Stegner die Moralkeule zu schwingen und von „Schande“ und „Wehret den Anfängen!“ zu sprechen. So erreicht man niemanden, der sich von der etablierten Politik verraten und von den Medien vorab verurteilt fühlt. Man überlässt das Feld, auf dem die Ressentiments der „Pegida“- Anhänger gedeihen, bloß Leuten wie dem Vordenker der „Alternative für Deutschland“, Alexander Gauland. Der früher mal konservative CDU-Mann zeigte den grollenden Dresdnern am Montagabend, dass er für ihren Groll ein Ohr hat.

Na klar: Wie die AfD versucht, unter den nach rechts driftenden oder schon gedrifteten Wutbürgern Gewinne zu machen, sagt viel über die Richtung, die die Populistenpartei seit ihren Euro-kritischen Anfängen genommen hat. Und dass führenden SPD-Politikern im Streit mit einer diffusen, kleinbürgerlich vorurteilsbeladenen Gruppe nur Nazivergleiche einfallen, gibt zu denken. Da streiten sie dann über die Boshaftigkeit der Behauptung, ein religiös verwirrter Attentäter liefere mit seinem Anschlag auf Menschen in einem Café in Sydney den „Pegida“-Leuten „Beweise“ für ihre islamfeindlichen Thesen.

Die AfD gedieh, weil Euroskeptiker fehlten

Auch Merkels „Hetzer“-Vorwurf zeigt nur, dass man in der CDU jetzt endlich gesehen hat, wohin es führt, wenn man ohne Kanten jeden politischen Konflikt rundlutscht. Es gibt in der CDU keine Roland Kochs mehr, an denen sich Konservative orientieren können. Ein Horst Seehofer wirkt wie ein Krawallmichel. Schwappende, unberechenbare, gefühlsgesteuerte Polit-Wesen wie die AfD (bevor sie in die Parlamente zog), wie zuvor in Berlin die „Freiheit“, wie jetzt die Verbindung von Islamophobikern, Ausländerhassern, Verschwörungstheoretikern, Zukurzgekommenen und Leuten, denen die Politik zu unübersichtlich und erschreckend geworden ist, entwickeln sich in politischen Leerräumen.

Die AfD gedieh, weil es im Bundestag keine ernst zu nehmenden Euro-Skeptiker mehr gab. Die „Pegida“ lebt von der Unentschiedenheit der Parteien im Umgang mit Flüchtlingen, von denen die wenigsten in ein kriegszerstörtes Syrien oder den zerfallenen Irak zurückkehren werden. Jahrelang haben die Politiker der etablierten Parteien (außer der Linken, wie man ehrlicherweise sagen muss) Flüchtlinge und Asylbewerber lange Amtswege zurücklegen lassen, bevor sie versuchen konnten, in Deutschland ein bürgerliches Leben anzufangen. Jetzt, da die Flüchtlinge in größerer Zahl kommen, wäre außer der Versorgungspolitik („Dach über dem Kopf“) eine asylgesetzliche Deregulierung nötig: Wer arbeiten kann und will, sollte schnell damit beginnen können, sollte schnell Deutsch lernen und hier ankommen. Das wäre Politik gegen eine Überfremdungsfurcht, die sich ihre Begründungen immer neu erfindet.

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