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Wie fremdenfeindlich sind Personenkontrollen allein wegen ethnischer Merkmale? Diese Frage beschäftigt derzeit französische Gerichte.

© Patrick Seeger dpa/lsw

Umstrittene Praxis in Frankreich: Klage gegen Personenkontrolle wegen Hautfarbe eingereicht

Wer eine dunkle Hautfarbe hat, gerät eher ins Visier der Polizei, beklagt eine Gruppe Franzosen. Jetzt ziehen die Betroffenen gegen den Staat vor Gericht. Auch in Deutschland beschäftigte vor Kurzem ein ähnlicher Fall die Justiz.

Weil sie immer wieder von der Polizei kontrolliert werden, haben in Frankreich 15 Personen Klage gegen den französischen Staat eingereicht. Nach Angaben der Anwälte Félix de Belloy und Slim Ben Achour gehöre es für ihre Mandanten mittlerweile zur täglichen Routine, Ziel von Identitätskontrollen und Durchsuchungen in der Öffentlichkeit zu werden. Die Anwälte räumten zwar ein, dass es schwer sei, den Grund für eine polizeiliche Personenüberprüfung nachzuweisen, zumal die Motivation der Polizisten und ihr Umgang mit den mutmaßlich Verdächtigen in der Regel nicht überprüft würden. Ob aktive Diskriminierung bei der Auswahl der zu kontrollierenden Personengruppen eine Rolle spielt, könne deshalb nicht festgestellt werden. Sie beschuldigen die Polizei jedoch, sie vorwiegend wegen ihrer Hautfarbe zu kontrollieren - was ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz wäre.

Auch hierzulande beschäftigte unlängst ein vergleichbarer Fall die Justiz. Das Verwaltungsgericht Koblenz entschied Ende März, Polizeibeamte dürften "verdachtsunabhängig" kontrollieren und die Auswahl dabei auch "nach dem äußeren Erscheinungsbild" vornehmen. Damit wies das Gericht die Klage eines zugreisenden Deutschen mit dunkler Hautfarbe zurück, der feststellen lassen wollte, dass ein derartiges Vorgehen rechtswidrig sei. Die Koblenzer Richter sahen das anders: Aus Kapazitäts- und Effizienzgründen müssten sich die Beamten der Bundespolizei auf Stichprobenkontrollen beschränken. Gerade auf einschlägigen Bahnstrecken, die von Ausländern erfahrungsgemäß zu illegalen Einreise genutzt werden, sei die deshalb die Hautfarbe eines Reisenden als Kontrollkriterium zulässig.

Allerdings dürfen Betroffene gemäß Artikel 6 des Schengener Grenzkodex bei der Durchführung personenbezogener Kontrollen nicht wegen ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert werden. Kritiker fürchten, dass die Praxis, nur anhand von ethnischen Merkmalen nach bestimmten Profilen zu fahnden, Fremdenfeindlichkeit Vorschub leisten könnte. Auch die Bundesregierung hat 2011 bekräftigt, dass die "unterschiedliche Behandlung von Personen in die für die Bundespolizei geltenden Vorschriften nicht enthalten sei, weil solche Methoden unvereinbar mit dem Verständnis von Polizeiarbeit in einem demokratischen Staat sind". Nicht nur deshalb ist das Koblenzer Urteil umstritten.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) kritisierte das Koblenzer Urteil und warnte vor einer Stigmatisierung der Opfer. "Dass das Gericht polizeiliche Ausweiskontrollen aufgrund der Hautfarbe als geringfügigen Eingriff bezeichnet, geht für uns an der Lebenswirklichkeit vorbei", sagte ADS- Leiterin Christine Lüders nach einer Prüfung der Urteilsbegründung. Lüders mahnte, Polizisten müssten sich sensibel gegenüber herkunftsbezogenen Vorurteilen und Stereotypen zu zeigen. Insbesondere staatliche Stellen sollten hier ihrer Verantwortung besser nachkommen. "Es hat schwere Folgen für das Zusammenleben in Deutschland und unser Bemühen um Verhinderung von Diskriminierung, wenn die Polizei Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe kontrolliert" sagte Lüders.

Auch einige Juristen zeigten sich irritiert. "Ich bin ehrlich gesagt verblüfft, dass ein Gericht sich so deutliche Aussagen traut", schreibt der bekannte Strafverteidiger Udo Vetter auf seinem Blog. Er kommentiert das Urteil scharf. "Rassisten auf der Richterbank. Das hat uns gerade noch gefehlt".

Es bleibt festzuhalten: Betroffene sehen sich immer häufiger willkürlichen Polizeikontrollen ausgesetzt. Es belastet sie, öffentlich in Verbindung mit kriminellen Verhalten gebracht zu werden. Oft handelt es sich bei den Kontrollierten um Menschen, die in Deutschland geboren sind oder hier seit vielen Jahren mit ihren Familien leben. Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland – ISD Bund e.V. erklärte: "Schon seit geraumer Zeit kommt es immer wieder zu Beschwerden schwarzer Menschen über gezielte Identitätskontrollen an Bahnhöfen, Flughäfen und anderen Orten des öffentlichen Lebens, auch wenn diese nicht grenznah gelegen sind."

Sämtliche Integrationsbemühungen würden auf diese Weise zunichte gemacht. Um das zu verhindern wurde 2006 mit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gegründet. Ziel des Gesetzes ist es, Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe, der Religion oder des Geschlechts zu bekämpfen.

Wie hart in Frankreich gegen Rassismus gekämpft werden muss, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Dann entscheiden die französischen Behörden, ob die Klage angenommen wird und Ermittlungen eingeleitet werden.

(mit dapd/ AFP)

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