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Umstrittenes Bahnhofsprojekt: Ramsauer: Wirtschaft unterstützt Stuttgart 21 zu wenig

Bundesverkehrsminister ist enttäuscht – dagegen gibt sich Schlichter Heiner Geißler optimistisch.

Für und gegen Stuttgart 21, das teilt in der baden-württembergischen Landeshauptstadt nicht nur viele Familien und den Kreis der Kollegen am Arbeitsplatz. Erstmals fanden am Samstag auch parallele Großdemonstrationen von Gegnern und Befürwortern des umstrittenen Bahnprojekts statt. Die „Oben-bleiben“-Rufer brachten nach Polizeischätzungen 16 000 Menschen vor dem abgerissenen Nordflügel des Bahnhofs auf die Beine (nach deren eigener Zählung waren es dreimal so viele). Auf dem 500 Meter entfernten Schlossplatz skandierten 7000 – vom Podium aus gefühlte 10 000 – „Wir sind Stuttgart“ und „Weiterbauen!“.

Und ihr bisher größter Protestzug, von allen Altersgruppen getragen, sah mindestens so bürgerlich aus wie jener der Gegner des neuen Bahnhofs: Da ist der junge Rechtsanwalt, der „bisher meist die Grünen gewählt“ hat, „klar für das Projekt“ ist und – eine große Stuttgart-Fahne schwenkend – sagt, er wolle vor allem dem Anspruch der Gegner entgegentreten, „die Moral gepachtet zu haben“. Oder die alte Dame, die fand, es sei einfach einmal „an der Zeit gewesen, für die besseren Argumente auf die Straße zu gehen“. Oder der Software-Entwickler, den die „Auswüchse der Stimmungsdemokratie“ um den Rechtsstaat fürchten lassen.

Da war er nicht allein. Als Alt-Ministerpäsident Teufel, der einst Stuttgart 21 aus der Taufe gehoben hatte, an die lange von Parlamenten und Gerichten bestätigte Geschichte des Projekts erinnerte und „Niemand steht im Rechtsstaat über dem Recht!“ ins Mikrofon donnerte, schallten ihm unter großem Applaus „Erwin, Erwin“-Rufe entgegen. Währenddessen wurde von Gegnern vor dem Bahnhof „Lügenpack“ und „Mappus weg“ gebrüllt.

Die „Dafür-Bewegung“ hatte so viel Prominenz wie noch nie aufgeboten: Außer Teufel waren Bahnchef Rüdiger Grube, Umweltministerin Tanja Gönner, FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke und Ex-Projektsprecher Wolfgang Drexler dabei. Auch hier gab es Fähnchen, Buttons und Plakate: „Halbhöhe für S 21“, „Biberach steht zu S 21“ oder „20 Hektar mehr Park“ stand darauf. Man dankte den Mitstreitern schon deshalb, weil es, wie Gönner sagte, doch unüblich sei, „dass der, der dafür ist, auf die Straße muss“, wo er doch annehmen dürfe, ein demokratisch beschlossenes Projekt werde auch umgesetzt.

Wird es auch, war die einhellige Botschaft auf dem Schlossplatz. Grube bekräftigte ein weiteres Mal: „Die Deutsche Bahn kann, darf und will keinen Stopp." Käme Stuttgart 21 nicht, dessen „unbestreitbare Vorteile“ Grube rasch noch einmal aufsagte, dann „hätte das unkalkulierbare, negative Auswirkungen auf alle Infrastrukturprojekte in Deutschland“. Ganz nebenbei entstünden 1,4 Milliarden Euro an Rückabwicklungskosten und „tausende Rechtsstreitfälle und die will ich genau nicht“.

Geschweige denn, dass es die von den Gegnern behauptete Alternative mit einer Beibehaltung des oberirdischen Kofbahnhofs gebe: „K 21 ist ein Phantom“, sagte Grube. „Zu Stuttgart 21 gibt es keine Alternative.“ Wenn das von Heiner Geißler moderierte Schlichtungsverfahren am 28. November zu Ende sei, dann, hätten die Projektbefürworter „alles, alles getan, damit alle Fakten sachlich auf dem Tisch waren. Und das sagt und macht man nur, wenn man ein absolut sauberes Gewissen hat. Ich habe es“, sagte Grube. Teufel forderte, sich wie die Boschs, Daimlers und Benz’ im 19. Jahrhundert dem „Geist des Aufbruchs, der Horizonterweiterung“ zu verschreiben. Es gälte zu „säen, damit kommende Generationen ernten können“.

Nach zwei Stunden gingen die Pro-Demonstranten, zu denen sich einige wenige Gegendemonstranten verirrt hatten, auseinander. Beim nächsten Mal, hatte Drexler geraten, solle jeder noch einen Befürworter mitbringen: „Dann sind wir 20 000 und wenn wir wie die Gegner nicht die Köpfe, sondern die Füße zählen, 40 000."

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