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Viele Agrarbetriebe konnten im Wirtschaftsjahr 2021/22 ein Gewinnplus verbuchen.

© ZB/Patrick Pleul

Umweltplan der EU-Kommission: Bauern befürchten Landnahme

Die EU-Kommission will den Artenschutz vorantreiben. Doch in Deutschland trifft das nicht überall auf Wohlwollen – vor allem nicht bei Landwirten.

Mindestens ein Fünftel der Land- und Meeresfläche der EU sollen bis zum Jahr 2030 geschützt werden. Gleichzeitig sollen Ökosysteme wie Wälder und Moore wiederhergestellt werden. Das sieht eine derzeit in Brüssel diskutierte Verordnung vor. Bedenken kommen aus vielen Staaten – auch aus Deutschland, wo die Energiewende nicht beeinträchtigt werden soll.

Die EU-Kommission will unter anderem dafür sorgen, dass zum Schutz der Biodiversität Flüsse mehr Raum erhalten, Forste in naturnahe Wälder umgebaut und Böden wiederhergestellt werden. Moore, die wieder vernässt werden sollen, sind wiederum für den Klimaschutz wichtig – als CO₂-Speicher.

Allerdings gibt es die Befürchtung, dass die ehrgeizigen Ziele beim Artenschutz die Energiewende bremsen könnten. Wenn vor dem Bau einer Stromtrasse eine umfangreiche Umweltverträglichkeitsprüfung erstellt werden müsse, könnte das die Planung verzögern, lautet der Einwand. Wie es aus EU-Diplomatenkreisen hieß, spielt auch die deutsche Energiewende bei den gegenwärtigen Beratungen über die Verordnung eine Rolle.

Der Grund für Befürchtungen, dass der EU-Kommissionsvorschlag die Energiewende verzögern könnte, liegt in einem Detail des Brüsseler Vorschlags begründet. Laut dem Plan der EU-Behörde darf sich auch außerhalb der bestehenden Schutzgebiete – dem so genannten „Natura 2000“-Netzwerk – die Situation bei der Artenvielfalt künftig nicht verschlechtern.

Jan-Niclas Gesenhues, umweltpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, hält solche Bedenken für unbegründet. „Einen Konflikt mit der Energiewende sehe ich nicht“, sagte er dem Tagesspiegel. „Klar ist aber: Fläche ist insgesamt knapp – auch weil immer mehr zubetoniert wird“.

Wenn angesichts des Flächenverbrauchs keine Abhilfe geschaffen werde, „werden bei der Renaturierung Nutzungskonflikte zwischen Naturschutz, Landwirtschaft und Gewerbegebieten zunehmen“, lautet die Prognose des Grünen-Politikers. Er erwarte daher, dass die geplante EU-Verordnung „Antworten darauf gibt, wie Renaturierung und landwirtschaftliche Nutzung auch gemeinsam erfolgen können“. An der Renaturierung führe „jedenfalls kein Weg vorbei, wenn wir unsere stark geschädigte Natur noch retten wollen“, sagte Gesenhues.

Dass die Landwirte in Deutschland kritisch auf die Pläne der EU-Kommission blicken, machte in der vergangenen Woche Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, deutlich. Bei einer Anhörung im Umweltausschuss des Bundestages sprach er angesichts der EU-Pläne von einer „Landnahme“, die zu einer Entwertung von Flächen führe. Das sei ein Eingriff in Eigentumsrechte.

Moore gehören zu den Biotopen, die EU-weit wiederhergestellt werden sollen.
Moore gehören zu den Biotopen, die EU-weit wiederhergestellt werden sollen.

© PNN / Ottmar Winter/Ottmar Winter

Die wirtschaftliche Lage der Landwirte ist nach Angaben des Bundesagrarministeriums allerdings besser, als derartige Klagen vermuten lassen. Wie das Ministerium bekannt gab, wurde im Wirtschaftsjahr 2021/22 ein teilweise starkes Gewinnplus bei Unternehmen fast aller Betriebsformen verzeichnet – vom Ackerbau über die Tierhaltung bis zum Gemischtbetrieb. Als Grund wird ein kräftiger Preisanstieg für viele Agrarerzeugnisse seit dem zweiten Halbjahr 2021 genannt, der auch die deutlich höheren Betriebsmittelpreise kompensierte.

Die Opposition hat unterdessen grundlegende Einwände gegen starre EU-Vorgaben beim Artenschutz. Der Vorschlag der EU-Kommission zur Renaturierung von Ökosystemen sei ein „Eingriff in die kommunale Planungshoheit“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus Mack.

EU-Vorsitz will Einigung noch in diesem Halbjahr

Wenn Kommunen gleichermaßen Aufgaben bei der Ansiedlung von Industrie im Sinne kurzer Lieferketten, dem Wohnungsbau und der Unterbringung von Flüchtlingen erfüllen sollten, stelle sich die Frage, wie die kommunale Entwicklung angesichts der starren EU-Vorgaben überhaupt noch möglich sein solle, sagte der frühere Bürgermeister der baden-württembergischen Stadt Bad Wildbad weiter.

Der gegenwärtige schwedische EU-Vorsitz strebt eine Einigung über die Verordnung noch in diesem Halbjahr an. Ob das gelingt, ist aber ungewiss. „In dem Dossier sind noch viele Hürden zu nehmen“, heißt es aus EU-Diplomatenkreisen mit Blick auf die zähen Beratungen im EU-Umweltministerrat.

Zu den Ländern, die den Schutz der Wälder und Moore zwar grundsätzlich voranbringen wollen, aber im Detail Änderungswünsche haben, gehören neben Deutschland auch die Niederlande. Dort sind Freiflächen wegen der hohen Bevölkerungsdichte und der intensiven Landwirtschaft besonders knapp. 

In den Niederlanden haben die Landwirte mehrfach gezeigt, dass sie über eine starke Lobby verfügen. Zuletzt versammelten sich in Den Haag im März tausende Bauern, um gegen den Plan der Regierung zu protestieren, den Stickstoffausstoß drastisch zu verringern. Der Macht der niederländischen Bauern ist sich auch Frans Timmermans bewusst, der als Vizepräsident der EU-Kommission für den „Green Deal“ der Gemeinschaft zuständig ist. Er stammt selber aus den Niederlanden.

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