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Politik: UN-Bericht: Westen scheitert im Kosovo

Interne Untersuchung fordert neue Strategie – und kritisiert die Politik von Ex-Kanzlerberater Steiner

Ein interner Bericht der Vereinten Nationen (UN) zur Lage im Kosovo fordert die Weltgemeinschaft zur Änderung ihrer Strategie in der südserbischen Unruheprovinz auf. Gleichzeitig wird darin die UNÜbergangsverwaltung (Unmik) scharf kritisiert. In der von UN-Generalsekretär Kofi Annan in Auftrag gegebenen Untersuchung, die dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es, es sei „unvermeidlich“, die bisherige Strategie „Standards vor Status“ aufzugeben. Damit will die Unmik im zu Serbien-Montenegro gehörenden Protektorat rechtsstaatliche Verhältnisse und marktwirtschaftliche Normen schaffen, bevor über die endgültige völkerrechtliche Rolle des Kosovos entschieden werden soll.

Der norwegische Diplomat Kai Eide verfasste den Bericht nach den Ausschreitungen im März von Albanern gegen Serben. Dabei starben mindestens 19 Menschen. und mehr als 900 wurden verletzt, Tausende mussten fliehen. Mehr als 90 Prozent der zwei Millionen Einwohner des Kosovo sind Albaner. Sie fordern Autonomie, was die serbische Regierung in Belgrad jedoch ablehnt.

In dem Bericht heißt es weiter: „Im Kosovo wird der Druck, die Statusfrage anzugehen, noch intensiver werden.“ Daher müssten die UN in die Diskussion über den Zeitplan spätestens Mitte 2005 einsteigen. Die vom früheren deutschen Unmik-Chef Michael Steiner entwickelte Standards-vor-Status-Politik müsse „umgehend ersetzt werden“. Vorverhandlungen über die Statusfrage sollten bereits im Herbst beginnen.

Der seit Sommer 1999 bestehenden Unmik-Verwaltung wird in dem Bericht vorgeworfen, ihr fehle „eine klare politische Perspektive“. Während der Pogrome sei sie unfähig gewesen, „die Stimmung in der Bevölkerung zu lesen und die Tragweite der Unzufriedenheit der Mehrheit sowie die Verletzbarkeit der Minderheiten zu verstehen“. Die Unmik-Führung fordert Eide auf, „eine robuste Politik von Interventionen und Sanktionen“ zu verfolgen. Der Bericht plädiert auch für eine stärkere Rolle der EUund der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)..

Auch der Chef des Balkan-Stabilitätspaktes, der ehemalige österreichische Vizekanzler Erhard Busek, kritisierte die UN-Verwaltung: „Tatsache ist, dass die Unmik nicht die erhoffte Erfolgsgeschichte geliefert hat“, sagte Busek dem Tagesspiegel. Er sprach sich dafür aus, der provisorischen Regierung in Pristina mehr Verantwortung zu geben, um so zugleich den Druck auf sie zu erhöhen. Zudem solle die Rolle Europas innerhalb der Unmik gestärkt werden. In der UN-Verwaltung sind derzeit mehr als 70 Nationen vertreten.

Außenminister Joschka Fischer (Grüne) warnte am Mittwoch im Bundestag davor, die jetzige Strategie aufzugeben: „Wenn die Standards nicht gebracht werden, wird jede Statuslösung letztlich nur Instabilität bringen.“ Dagegen hatte am Dienstag auch Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) Zweifel an der jetzigen UN-Politik geäußert. Auch die Union hatte das Prinzip in Frage gestellt. Die Bundeswehr, die im Kosovo das größte Kontingent der internationalen Schutztruppe Kfor stellt, war für ihren Einsatz bei den Ausschreitungen heftig kritisiert worden und hat inzwischen ihr Einsatzkonzept geändert.

In Pristina wird bereits seit einigen Wochen die Formel, mit der die Unmik bislang die Durchsetzung rechtsstatlicher menschrechtlicher und markwirtschaftlicher Normen vor einer Entscheidung über den künftigen Status des Kosovo erreichen wollte, nicht mehr verwendet. Stattdessen sollen drei Kernbereiche herausgestellt werden: Sicherheit für die serbische und andere Minderheiten, Bewegungsfreiheit für alle Bevölkerungsgruppen und die Dezentralisierung der Verwaltungsstrukturen auf Gemeindeebene.

Wolfgang Petritsch, früherer EU-Sondervermittler im Kosovo und jetzt österreichischer UN-Botschafter in Genf, forderte im Gespräch mit dem Tagesspiegel zudem, die Leitung der Unmik-Zivilverwaltung von der Entscheidung über den endgültigen Status des Kosovo zu trennen: „Die ursprünglich sinnvolle Vereinigung aller Macht in einer internationalen Hand läuft zunehmend Gefahr, ein Teil des Problems im Kosovo zu werden.“

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