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UN-Botschafter Peter Wittig: „Wir haben den Gestaltungsspielraum voll ausgereizt"

Am Jahresende scheidet Deutschland nach zwei Jahren als nichtständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates aus. Nach Ansicht von UN-Botschafter Wittig wurde die Zeit gut genutzt.

Herr Wittig, am Ende dieses für Syrien so blutigen Jahres: Wird der UN-Sicherheitsrates es noch schaffen, bei der Lösung des Syrien-Konflikts entscheidend mitzuwirken?

Bislang hat die russisch-chinesische Blockade verhindert, dass der Sicherheitsrat seiner Verantwortung für den Frieden in der Region gerecht wird. Wir arbeiten aber weiter intensiv daran, Russland und China zu einer Aufweichung dieser Haltung zu bewegen. Die Lageentwicklung vor Ort und die großen Fortschritte der syrischen Opposition könnten hier womöglich eine Chance eröffnen. Der internationale Syriensondergesandte Brahimi jedenfalls hat klargemacht, dass er – sobald die Spaltung des Rates überwunden ist – mit konkreten Vorstellungen bereitstünde, um die Gewalt zu überwinden.

Welche Erfolge kann Deutschland während seiner Mitgliedschaft im Sicherheitsrat verbuchen?

Wir sind mit dem Anspruch angetreten, für die breitere Mitgliedschaft der Vereinten Nationen einen Mehrwert zu erarbeiten. Wir wollen die Vereinten Nationen insgesamt stärken. Und durch unsere substanziellen Beiträge zur internationalen Krisenbewältigung haben wir das auch getan. Gerade in der Zusammenarbeit mit der arabischen Welt haben wir Wichtiges bewegen können: So haben wir die Befassung des Rates mit Jemen, Libyen und Syrien beharrlich vorangetrieben. Und die Aufwertung der Zusammenarbeit des Sicherheitsrates mit der arabischen Liga geht auf unsere Initiative und Verhandlung zurück. Darüber hinaus haben wir weitere, deutsche Akzente setzen können: Wir haben zwei nicht unumstrittene Resolutionen zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten durchgesetzt und damit deren Schutz weiter vorangetrieben. Wir haben außerdem den Rat dazu gebracht, erstmals das sicherheitspolitische Risiko des Klimawandels anzuerkennen. In der Summe haben wir den Gestaltungsspielraum eines nichtständigen Mitglieds voll ausgereizt.

Welche war die schwerste Entscheidung, die Sie in den zwei Jahren zu vertreten hatten?

Zu den schwierigsten Momenten gehörten sicherlich die russisch-chinesischen Doppelvetos in der Syrienfrage. Im Angesicht des großen Leids der syrischen Zivilbevölkerung ist die erzwungene Handlungsunfähigkeit des Rates nur sehr, sehr schwer zu ertragen.

Hat sich Deutschland während der Zeit im UN-Sicherheitsrat als ein Mitgliedsland empfohlen, das mehr internationale Verantwortung übernehmen kann?

Absolut.

Ist der angestrebte ständige Sitz im Sicherheitsrat noch ein realistisches Ziel?

Die Frage ist doch andersherum: Hat der Sicherheitsrat noch eine realistische Zukunft, wenn er sich nicht an die geopolitischen Gegebenheiten des 21. Jahrhunderts anpasst? Wir glauben, dass hier ein echtes Risiko für die künftige Akzeptanz der Entscheidungen des Sicherheitsrates liegt. Deshalb sind wir nach wie vor fest vom Reformbedarf überzeugt – und werden nach wie vor auf Reformen drängen. Aber über diese wird in der Vollversammlung verhandelt – nicht im Sicherheitsrat – und das ist ein zähes Ringen. Sie dürfen nicht vergessen: Es gibt durchaus einige Mitglieder der Vereinten Nationen, die den Status quo gerne beibehalten möchten.

Peter Wittig (58) ist seit 2009 Ständiger Vertreter Deutschlands bei den Vereinten Nationen in New York. Er war in seiner diplomatischen Laufbahn auch Botschafter im Libanon und auf Zypern.

Jan Dirk Herbermann

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