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Politik: UN rügen Deutschland

„Tief besorgt“ wegen Arbeits- und Sozialpolitik

Von Matthias Meisner

Berlin - Die UN gehen in ihrem neuesten Staatenbericht hart mit der sozialen Lage in Deutschland ins Gericht. Migranten würden diskriminiert und es fehle an einem umfassenden Armutsbekämpfungsprogramm – das sind zwei der zentralen Kritikpunkte der Analyse, die nach einer Pause von vier Jahren neu aufgelegt wurde. „Tief besorgt“ zeigt sich der zuständige Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte nach einer Tagung im Mai in Genf, dass viele seiner früheren Empfehlungen nicht umgesetzt wurden. Einer der brisantesten Vorwürfe: Jeder vierte Schüler würde ohne Frühstück zur Schule gehen. Nachdrücklich fordern die UN „konkrete Maßnahmen“, damit „Kinder, besonders aus armen Familien, richtige Mahlzeiten erhalten“.

Zehn Seiten umfasst der dem Tagesspiegel vorliegende Bericht in seiner deutschen Übersetzung. Kritisiert werden viele Ungerechtigkeiten auf dem deutschen Arbeitsmarkt und im Gesundheits- und Sozialwesen. Migranten etwa sähen sich nach wie vor großen Einschränkungen ihrer Rechte auf Bildung und Beschäftigung gegenüber, heißt es. Asylsuchenden würden sogar ausreichende Sozialleistungen versagt, dabei müssten sie „im Einklang mit internationalen Normen“ den gleichberechtigten Zugang zu beitragsunabhängigen sozialen Sicherungssystemen, zur Gesundheitsversorgung und zum Arbeitsmarkt bekommen. Besorgt ist das UN-Gremium auch, dass „ungeachtet der Maßnahmen zur Verringerung dieser Kluft“ die Arbeitslosigkeit im Osten immer noch doppelt so hoch ist wie im Westen. Für zivile Staatsbedienstete, sofern sie keine unentbehrlichen Aufgaben erbringen, fordert der Ausschuss das Streikrecht. Beim Zugang zu Jobs sehen die UN Frauen wegen „klischeehafter Vorstellungen der Geschlechterrollen“ benachteiligt.

Positiv hervorgehoben wird in dem Bericht, dass die Arbeitsmarktreformen den niedrigsten Stand der Arbeitslosen in den vergangenen 20 Jahren ermöglicht hätten. Gleichzeitig wird kritisiert, dass die Grundsicherung von Hartz-IV-Empfängern „keinen angemessenen Lebensstandard“ gewähre. Erheblich ausgebaut werden müssten in Deutschland Angebote für Kinder, Behinderte, Ältere und Kranke, in Pflegeheimen, heißt es, würden viele Bewohner „in menschenunwürdigen Bedingungen leben“. Mit Besorgnis vermerken die UN, dass eigenen Angaben der Bundesregierung zufolge 13 Prozent der Deutschen unter der Armutsgrenze leben.

Die Linksfraktion des Bundestages äußerte sich erschreckt. „Die teilweise scharfe Kritik des UN-Rats zeigt, dass der deutsche Sozialstaat längst nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist“, sagte Parlamentsgeschäftsführerin Dagmar Enkelmann dem Tagesspiegel. „Armutsbekämpfung, Beschäftigungsprogramme und Wohnungslosigkeit sind eben keine linken Hirngespinste.“Matthias Meisner

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