zum Hauptinhalt

Unabhängiges Kosovo: Serbiens Mythos soll nicht sterben

Belgrad gibt sich nicht geschlagen und erkennt das Kosovo trotz Schiedsspruch aus Den Haag nicht an.

Hupende Autokolonnen, die Flaggen der USA, Großbritanniens und anderer Staaten im Wind nach sich ziehen: So wurde das Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag in Pristina und anderen Städten am Donnerstag im Kosovo begrüßt. Mit dem Schiedsspruch des höchsten UN-Gerichtshofs wird bestätigt, dass die Unabhängigkeit des Kosovo rechtmäßig sei. Mögliche Krawalle, zu denen es in den vergangenen Wochen in der geteilten Stadt Mitrovica, im Norden des Landes, immer wieder gekommen war, blieben dabei jedoch aus. Eine Menschengruppe habe sich dort eine Stunde lang friedlich versammelt, teilte ein Polizeisprecher im Kosovo mit. Mitrovica wird von Belgrad kontrolliert, gehört jedoch zum Kosovo.

Während das offizielle Pristina den Entscheid des UN-Tribunals, der allerdings für keine Seite rechtlich bindend ist, als „geschichtlichen Sieg“ begrüßte, blieb Belgrad auf altbekanntem Kurs. „Serbien wird die Unabhängigkeit des Kosovo niemals anerkennen“, verkündete der serbische Staatspräsident Boris Tadic. Serbien hatte die Meinung aus Den Haag selbst eingefordert. Der Internationale Gerichtshof sollte prüfen, ob die Abspaltung der ehemals serbischen Provinz rechtmäßig war.

Das UN-Tribunal gab die Antwort: Die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo ist rechtmäßig. Allerdings hatte es die Deklaration nur „im technischen Sinne“ geprüft, kritisierte Außenminister Vuk Jeremic serbischen Zeitungsberichten zufolge. Dadurch sei eine konkrete Antwort auf die Kernfrage vermieden worden, nämlich, ob das Kosovo überhaupt das Recht habe, sich von Serbien abzuspalten. Trotz seiner sturen Haltung plädiert Belgrad, ebenso wie Pristina, für die Aufrechterhaltung von Frieden und Stabilität auf dem Kosovo. Jeremic rief die Bevölkerung auf, nicht auf Provokationen einzugehen. Die Fronten sind verhärtet. Belgrad beharrt auf seiner Position, dass sich die ehemalige serbische Provinz einseitig und ohne Zustimmung abgespalten habe. Was dabei von serbischer Seite gerne übersehen wird: Die Staatsgründung des Kosovo kam erst nach zähen Verhandlungen internationaler Vermittler zustande. Das Kosovo kann nun dafür werben, dass es von weiteren Staaten anerkannt wird. Aber auch eine Zukunft in den UN ist denkbar, so die Einschätzung politischer Beobachter. Diese sollen im Herbst bei einer Generalversammlung den Schiedsspruch aus Den Haag noch einmal politisch analysieren – und ihr Urteil fällen. Zwischenzeitlich haben 69 Staaten weltweit, darunter auch Deutschland, das Kosovo anerkannt.

Das Kosovo ist für Serbien mehr als nur eine abtrünnige Teilprovinz. Hier spielen Nationalstolz und Geschichte eine Schlüsselrolle. Immer wieder wird das Kosovo als „Wiege des Serbentums“ bezeichnet. Rückendeckung bekommen die Politiker aus Belgrad dabei vor allem von der serbisch-orthodoxen Kirche. „Sie wollen uns das Heiligste, Wertvollste wegnehmen, das wir mehr als das eigene Leben lieben“, so die pathetischen Worte von Patriarch Irinej bei einem Gebetsgottesdienst am Donnerstag in Belgrad. Serbien hatte zuletzt mehrere Szenarien durchgespielt: Zum einen war von einer Abtrennung des nördlichen Kosovo die Rede, zum anderen von einer eigenen Autonomie innerhalb des Kosovo. Die slowenische Tageszeitung „Delo“ dagegen kommentierte: Belgrad müsse sich früher oder später damit abfinden, dass das Kosovo mit dem Schiedsspruch vollkommen anerkannte Legimität erhalten habe. Der Entscheid aus Den Haag runde den Zerfallprozess des ehemaligen Jugoslawien in eigentümlicher Weise ab.

US-Außenministerin Hillary Clinton rief dazu auf, dass Staaten, die den Kosovo noch nicht anerkannt hätten, dies tun sollten. „Der Kosovo ist ein unabhängiger Staat und sein Territorium ist unverletzlich“, sagte Clinton. Eine Aussage, die man in Pristina mit US-Flaggen auf Autos bereits zuvor belohnt hatte.

Veronika Wengert[Zagreb]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false