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"Und erlöse uns von allen Üblen" #78: Der Verleger kommt unter Druck

Ermittlerin Hornstein erinnert den Verleger Schwarzkoff an ein dunkles Geheimnis. Das Gespräch hat einen Mithörer. Ein Fortsetzungsroman, Teil 78.

Was bisher geschah: Die Frau des Verlegers erzählt der Ermittlerin von der Mordnacht. Es bleiben Fragen, die nur Schwarzkoff beantworten kann.

In 100 Teilen bis zur Bundestagswahl 2017 erscheint der Politkrimi "Und erlöse uns von allen Üblen" online als Fortsetzungsroman im Tagesspiegel. Hier Folge 78 vom 1. September.

Georg Krucht braucht nur bis zum nächsten Morgen, um den Taxifahrer aufzutreiben, der in der Nacht Jens-Peter Schwarzkoff vom Stadtpark in seine Villa gebracht hat. Normale Polizeiarbeit. Er bietet seiner Kollegin an, bei der Vernehmung dabei zu sein, aber die winkt nur ab. Susanne Hornstein erwartet den angekündigten Anruf des Innenministers.

"Ja?"

"Ich wollte Sie vorwarnen, weil es eine neue Entwicklung im Fall Freypen gibt. Es könnte sein, ich sage: könnte, denn noch sind wir nicht sicher, dass der Verleger Jens-Peter Schwarzkoff in der Tat etwas mit dem Attentat zu tun hat. Ich hatte Ihnen ja schon mal so was angedeutet. Der brüstete sich mir gegenüber mit seinen Verbindungen in höchste Kreise nach Berlin. Hat mich zwar nicht beeindruckt, aber ich halte es für fair, Sie zu informieren. Könnte also sein, dass er sich über mich beschwert."

"Sehr aufmerksam, Frau Doktor Hornstein, ich weiß Ihre Weitsicht zu schätzen. Wie ich Ihnen schon bei unserem letzten Gespräch sagte, tun Sie einfach nur Ihre Pflicht, tun Sie einfach genau das, was Sie für richtig halten. Vor dem Gesetz sind alle gleich." Er meinte das offenbar so, blieb zumindest ernst dabei und machte sich eine Notiz für die gleich beginnende Kabinettssitzung. Das war eine Information für ein Gespräch unter vier, höchstens sechs Augen, nichts für die Große Runde.

Der Taxifahrer gab zu Protokoll, dass er Sonntagfrüh, also in der Nacht des 4. Oktober, kurz vor drei Uhr über die Zentrale einen Auftrag bekommen hatte. Er sollte einen Mann am Stadtpark abholen, der dort angeblich eine Panne gehabt habe. Stichwort: grüner Jaguar. Als er in der Saarlandstraße ankam, wartete ein älterer weißhaariger Herr, so jedenfalls drückte er sich aus, vor einem geparkten Auto. Der erzählte allerdings nichts von einer Panne, sondern nur von zu viel Alkohol und dass er deshalb nicht mehr selbst fahren könne. Was ihn, den Fahrer, einen Dreck interessiert habe. Hauptsache, eine gute Fuhre. Und gut war sie dann ja auch. Der Mann drückte ihm schon beim Einsteigen zweihundert Euro für die Fahrt in die Hand und ließ sich an eine Adresse hinter Blankenese an die Elbe fahren. So gegen halb vier Uhr etwa habe er ihn dort abgeliefert. Nein, geredet hat der unterwegs nichts, nur ab und zu gestöhnt und sich an den Kopf gefasst, also ob er Schmerzen hatte. Na ja, dicken Kopf halt, wohl vom Saufen. Krucht legte ihm ein paar Fotos vor, darunter auch eines von Jens-Peter Schwarzkoff. Der Taxifahrer identifizierte ihn ohne Zögern als seinen nächtlichen Fahrgast.

Der Chef der Mordkommission schickte mehr routinemäßig als in der Hoffnung, knapp vierzehn Tage nach der Mordnacht noch etwas zu finden, vier Schutzpolizisten an die angegebene Stelle. In einem Gebüsch nahe dem Parkplatz fielen denen ein paar Autoschlüssel mit einem Jaguar-Anhänger auf. "Hatten Sie etwa erwartet, wir würden die Tatwaffe entdecken?", fragte Krucht die BKA-Beamtin, als er mit seinem Bericht fertig war und Susanne Hornstein konnte ihm zum ersten Mal seit jener verdammten Nacht wieder unbefangen in die Augen sehen. Fand nichts darin, worüber sie sich Gedanken machen müsste. Nur professionelle Neugier. Sie grinste verschwörerisch: "Ihnen kann ich es ja sagen. Nee, erwartet hatte ich es nicht. Aber erhofft." Da lachten beide.

Der Verleger empfängt die Kriminaldirektorin in seiner Bibliothek. Die Terrassentüren zum Garten sind geöffnet, er weiß, dass sie raucht und er hasst den Geruch von Zigaretten. Um Aufsehen im Verlag zu verhindern, war er mit einem Termin bei sich Zuhause einverstanden gewesen. Seine nervösen Fragen, was sie denn schon wieder von ihm wolle, hat Susanne Hornstein mit der vagen Andeutung beantwortet, dass sie noch einmal seine Hilfe als langjähriger Freund Freypens brauche.

Julia Schwarzkoff ist wieder mal auf dem Golfplatz, der Butler soll sich bereit halten, falls außer Kaffee noch andere Getränke gewünscht werden. Fritz Seifert nimmt der Beamtin den Mantel ab und führt sie in die Bibliothek. Dann zieht er sich zurück, diskret wie es den Anschein hat, in Wirklichkeit verlässt er das Haus durch den Vordereingang und schleicht sich durch den Garten wieder in Richtung Terrasse. Er kann die beiden nicht sehen, aber hören.

"Herr Schwarzkoff, Sie haben uns nicht alles erzählt aus der Mordnacht", beginnt Susanne Hornstein ohne lange Vorrede und legt den Autoschlüssel, den Kruchts Männer im Stadtpark gefunden haben, auf den Schreibtisch: "Bevor Sie antworten, sollte ich Ihnen noch sagen, dass wir die Aussage eines Taxifahrers vorliegen haben, der Sie als seinen Fahrgast in dieser Nacht identifiziert hat."

Schwarzkoff hat nach ihrem ersten Satz etwas ganz anderes befürchtet, deshalb ist er zunächst erleichtert: "Na und? Was heißt nicht alles erzählt? Hätte ich Ihnen denn alles erzählen müssen? Ich dachte, Sie suchen einen Mörder. Das alles hat nichts mit Freypen zu tun, aber meinetwegen können Sie es gerne wissen. Ich habe eine Dame besucht, fragen Sie gar nicht erst, wie die heißt, den Namen werde ich Ihnen nicht nennen, weil sie verheiratet ist. Habe mein Auto in der Nähe am Stadtpark abgestellt und als ich zurückfahren wollte, meine Schlüssel nicht mehr gefunden. Vielleicht hatte ich auch schon ein bisschen zu viel getrunken. Sieht fast so aus, dass ich im Dunkeln die Schlüssel verloren habe, sonst hätten Sie die wohl nicht entdeckt. Ich habe mir ein Taxi bestellt und bin dann so gegen vier Uhr etwa zuhause gewesen. Nicht sehr dramatisch, was? Hat nichts mit dem Attentat zu tun, davon habe ich erst erfahren, als ich wieder nach Hause kam. Und deshalb haben Sie den weiten Weg hierher gemacht?" Er greift nach dem Schlüssel: "Immerhin, den habe ich wieder, vielen Dank."

"Nein", erwidert Susanne Hornstein kühl, "deshalb sind wir nicht gekommen. Nicht nur zumindest. Kann Ihre Frau bestätigen oder einer Ihrer Dienstboten, wann Sie nach Hause gekommen sind? Oder vielleicht die geheimnisvolle Dame genau mitteilen, wann Sie von ihr weggegangen sind?"

"Lassen Sie bitte meine Frau aus dem Spiel. Es wäre mir peinlich, wenn Sie davon erfahren würde. Sie glaubt, dass ich bei dieser Buchparty versackt bin, sie weiß nicht, wo ich war und wann ich wirklich nach Hause kam." Er lügt gut, denkt Susanne Hornstein, sehr gut. Wenn ich nicht selbst mit seiner Frau gesprochen hätte, würde ich ihm diese Lügen sogar abnehmen. Aber ich weiß ein bisschen mehr, mein Lieber und setzt nach: "Dann vielleicht Ihre Freundin? Andrea Hofwieser?"

"Erstens ist die nicht meine Freundin, das haben Sie schon einmal auf unverschämte Weise angedeutet, und zweitens, selbst wenn sie es wäre, ginge Sie das gar nichts an."

Sie ist es in der Tat nicht, stellt die Polizisten fest, diese Reaktion von ihm sagt alles. Selbst wenn sie es wäre - das klang eindeutig bedauernd und sogar eine Spur von, nein, nicht Enttäuschung, fast von Hass hört sie heraus. Hat er es bei Andrea versucht und ist abgeschmettert worden? Insgeheim leistet sie der Reporterin Abbitte, sozusagen von Frau zu Frau, sie hat Andrea Hofwieser wohl doch falsch eingeschätzt.

"Dann versuchen wir es einmal anders, Herr Schwarzkoff. Es stimmt zwar, wie Sie uns erzählt haben, dass Freypen ein alter Freund von Ihnen war. Sie haben uns aber nicht erzählt, dass er ein ganz be­sonderer Freund von Ihnen gewesen ist. Schon seit der gemeinsamen Schulzeit in Salem. Also seit vierzig Jahren. Da gab es doch diese merkwürdige Geschichte mit dem ertrunkenen Mädchen. Erinnern Sie sich?"

Draußen schleicht Seifert näher an die offenen Terrassentüren. Merkwürdige Geschichten interessieren ihn aus gegebenem Anlass besonders.

Und morgen lesen Sie: Der Butler hofft auf eine hübsche Summe.

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