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Politik: Und immer das Ohr an den Bürgern

Nach Abhörskandal erlässt Rom neues Gesetz

Rom - Nach dem aufgedeckten Abhörskandal hat die italienische Regierung ein Veröffentlichungsverbot der illegal aufgenommenen Gespräche erlassen. Um eine „unendliche Kette von Erpressungen“ gegen Privatbürger, Wirtschaftsmanager und Politiker zu vermeiden, hat das Kabinett unter Ministerpräsident Romano Prodi zudem verfügt, dass alles Material, das aus der Abhörung gewonnen worden ist, vernichtet werden muss. Unter Zustimmung der Opposition reagiert das Kabinett damit auf den offenbar größten Spionageskandal, der in Italien je aufgeflogen ist: Die Telecom Italia, Marktführer und technische Herrin über die Kommunikationsnetze des Landes, hatte über Jahre hinweg mehrere zehntausend Bürger belauscht; entdeckt wurden bisher 30 000 personenbezogene, illegale Dossiers.

Zu den Überwachten zählen Politiker ebenso wie Fußballer, Konkurrenten ebenso wie Geschäftspartner – die Familie Benetton zum Beispiel –, Fernsehstars, Journalisten und Personen, die sich auf eine Stelle bei der Telecom bewarben. Der frühere Chef für Sicherungssysteme der Telecom, Giuliano Tavaroli, und der Chef einer Florentiner Privatdetektei, Emanuele Cipriani, waren am Mittwoch festgenommen worden. Womöglich hat auch der italienische Militärgeheimdienst eine Rolle gespielt. Tavaroli arbeitete eng mit dessen Vizechef, Marco Mancini, zusammen.

Die technischen Möglichkeiten der Telecom zur Überwachung werden auch von den italienischen Justizbehörden genutzt. Im vergangenen Jahr wurden 33 000 Personen auf richterlichen Beschluss hin abgehört. Nun will das Ministerium prüfen lassen, ob sich der Kontrollraum der Telecom wenigstens heute auf solche legalen Überwachungen beschränkt.

Um die „Abfälle“ aus früheren Abhörungen unschädlich zu machen, hat die Regierung jetzt verfügt, dass illegal gesammelte Informationen weder für Ermittlungs- noch für Prozesszwecke verwendet werden dürfen. Gerade die Behörden indes, die gegen die Telecom ermitteln, befürchten nun, dass mit der angeordneten Vernichtung der Akten auch unersetzliche Beweismittel verloren gehen könnten. Ohnehin haben einige der Hauptbeschuldigten, so berichten es die „Kronzeugen“ der Ermittler, schon Dossiers in Flammen aufgehen lassen, als Polizisten mit den Durchsuchungen begannen. Weiterhin ungeklärt ist, wer als Auftraggeber hinter der Spionage steckt.

Während sich der Regierungschef zum Abhörskandal schnell mit der Opposition einigen konnte, ist Prodi durch eine andere Affäre im Zusammenhang mit dem Telecom-Konzern erstmals unter starken Druck geraten. So sehr, dass er jetzt seine Mehrheit gefährdet sieht und indirekt mit dem Rücktritt droht. Es geht um den Verdacht unzulässiger Einflussnahme der Regierung auf den Konzern. Prodi hat nach Meinung der Opposition versucht, die Entscheidungen des Konzerns über eine Aufspaltung der Mobilfunk- und Festnetzsparte zu beeinflussen, um einen anschließend möglichen Verkauf des Handygeschäfts ins Ausland zu verhindern. Hinzu kam kurze Zeit später die Veröffentlichung eines Geheimplans zur Wiederverstaatlichung des Festnetzes – den ein enger Berater Prodis offenbar in Eigenregie dem Topmanagement von Telecom Italia vorgelegt hatte.

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