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Politik: Und was machen wir nun?

DEUTSCHLAND UND USA

Von Moritz Schuller

Kein Wort zu Amerika. Nichts zu der Genugtuung, die das alte Europa verspüren könnte, jetzt, da im Irak jene Unordnung entsteht, vor der es immer gewarnt hatte. Nichts über klammheimliche Freude, Lügen, Massenvernichtungswaffen. Nichts zu dem lässig hingeworfenen Dank des amerikanischen Präsidenten an Deutschland, der doch nichts geringeres ist als das Eingeständnis: Ich brauche Hilfe – eure Hilfe.

Stattdessen: Was machen wir jetzt mit der Taube Bush, die nun so überraschend sich uns aufs Haus gesetzt hat? Das Angebot ist klar: Amerika sucht Partner, die sich im Irak engagieren wollen. Und die Deutschen, in Afghanistan so bewährt, die könnte Bush sich wohl gut dafür vorstellen. Es ist noch ein diffuses Angebot, aber angesichts der schwierigen Lage im Irak durchaus kein unmoralisches.

Es abzulehnen, würde die zuletzt, sagen wir es vorsichtig, eindeutige Haltung der Bundesregierung nochmal unterstreichen. „Wir machen da nicht mit“, gerade in dieser saloppen Version hatte die Ablehnung einer Kriegsbeteiligung so viele Anhänger gefunden. Deutsche Soldaten im Irak passen nicht in dieses Bild. Dass Bush offensichtlich versucht, über eine neue UNResolution Verbündete zu finden, hilft dabei kaum. Auch dies hatte die Bundesregierung damals kategorisch abgelehnt. Konsequent wäre eine neue Irakpolitik nicht; konsequent wäre es, die Einladung, die Bundeswehr als Kanonenfutter nach Bagdad zu schicken, dankend abzulehnen.

Aber es wäre politisch klug, Großmut zu zeigen. Aus der vermeintlichen Isolation herauszutreten und den angeschlagenen Freunden Amerika und Großbritannien unter die Arme zu greifen – welcher Politiker, Schröder zumal, wollte sich diese Gelegenheit entgehen lassen? So ließe sich leichter die UN-Charta modernisieren, wie es Schröder wohl vorhat, mit den Lehren im Kopf, die beide Seiten aus dem Konflikt gezogen haben.

Und was vor dem Krieg galt, gilt noch immer: Wenn sich die deutsche Verteidigungslinie am Hindukusch befindet, wie Peter Struck sagt, dann muss der Irak geradezu als innenpolitisches Problem Deutschlands gelten: die Stabilisierung des Irak, der Aufbau demokratischer, nicht-islamistischer Strukturen sind für einen selbst ernannten Weltpolitiksakteur geradezu Pflichtaufgaben.

Eine Replik auf Bush erfordert deshalb auch eine Antwort auf eine Frage, um die sich das Land trotz (oder wegen) der Debatte um den Irakkrieg letztlich herumgedrückt hat: Wofür sind wir bereit, in den Krieg zu ziehen? Wofür setzen wir Menschenleben aufs Spiel? „Ich bin nicht überzeugt“, hatte Joschka Fischer zu Donald Rumsfeld vor dem Krieg gesagt. Doch wann sind wir eigentlich überzeugt, dass das letzte Mittel, nämlich Krieg und Tod, heute notwendig ist?

In Afghanistan, und das erkennt Bush nun an – wenn auch vielleicht aus taktischen Gründen –, sterben Bundeswehr-Soldaten für die Stabiliserung des Landes und den Aufbau demokratischer, nicht-islamistischer Strukturen. Der Einsatz wird gerade ausgeweitet. Warum also nicht auch Irak, im Auftrag der UN oder der Nato, wie in Afghanistan? Der heiße Krieg ist dort längst vorbei, der andere – wie auch der in Afghanistan – aber noch lange nicht.

Ablehnen ist leichter als Annehmen. Doch die Situation im Irak hat sich geändert, die Ausgangslage für ein Engagement auch. Zugleich ist der deutsche Wehretat nicht gestiegen, die emotionale Anteilnahme an den Auslandseinsätzen der Bundeswehr sogar eher gesunken. Bushs neues Angebot ist in Wirklichkeit ein altes, in neuem Kleid. Aber womöglich ist die Taube auf dem Dach besser als der Falke in Washington.

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