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Politik: Unentschieden

Nach dem Urteil zum Luftsicherheitsgesetz: Ein Bundeswehreinsatz bei der WM bleibt hoch umstritten

Berlin - Für den Berliner Landesbranddirektor Albrecht Broemme ist die Sache klar: „Das sicherste Fußballspiel würde ohne Zuschauer stattfinden“, meint er beim Europäischen Polizeikongress in Berlin. Nicht ohne Ironie schlägt er als sicherste Lösung vor, die Fans sollten in Gruppen von „maximal acht Personen und mit nur einer Kiste Bier“ in Privatwohnungen das Sportereignis verfolgen.

Doch im Ernst bleibt die Sicherheitsfrage offen – und das erst recht nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz. Denn auch wenn Karlsruhe über einen Einsatz der Bundeswehr bei der Fußball-WM kein Wort verloren hat, wollen doch viele für diese Debatte ihre Schlussfolgerungen aus dem Urteil ziehen.

Hamburgs parteiloser Innensenator Udo Nagel, ehemaliger Polizeipräsident der Hansestadt, hatte sich noch vor Bekanntgabe der Entscheidung für die grundsätzliche Möglichkeit von Bundeswehreinsätzen im Inneren ausgesprochen, einen Einsatz bei der Weltmeisterschaft hält er aber nicht für nötig. Die Bundeswehr solle nur in klar definierten Fällen, wie zum Objektschutz, und auf klarer gesetzlicher Grundlage eingesetzt werden. Nagel plädiert für eine Grundgesetzänderung. Er ist damit auf einer Linie mit vielen Unionspolitikern.

„Wir brauchen eine klare Rechtsgrundlage, dass die Bundeswehr zur Unterstützung bei besonderen Lagen eingesetzt werden kann“, sagt der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU). Der Einsatz dürfe nicht im verfassungspolitischen Zwielicht bleiben. Zudem habe der Schutz der Heimat Vorrang vor den internationalen Verpflichtungen. „Mir leuchtet nicht ein, dass wir weltweit die besten ABC-Kräfte und Fuchspanzer haben, die überall auf der Welt eingesetzt werden, und nur in Deutschland dürfen die Fuchspanzer nicht zur Terrorvorbeugung eingesetzt werden“, sagt Beckstein. Und Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) weist das Argument der Kritiker zurück, die Bundeswehr solle zur Hilfspolizei gemacht werden. „Wir wollen doch keine Panzer vor Kindergärten.“

Die Bundeswehr werde zum Objektschutz gebraucht, damit Kräfte der Polizei frei werden. Für eine Verfassungsänderung plädiert auch Schönbohm, damit die Bundeswehr auch zur „Vorbeugung von Terrorismus“ und „nicht erst im Katastrophenfall“ ausrücken könne. Der in Artikel 87a des Grundgesetzes vorgesehene Spannungs- und Verteidigungsfall sei kaum noch wahrscheinlich, argumentiert Schönbohm. Nur dieser Fall ermögliche bisher einen Bundeswehreinsatz im Inneren. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) argumentiert in Wiesbaden ähnlich, versichert aber, dass es nicht darum gehe, die Bundeswehr „als eine Art Hilfspolizei“ einzusetzen.

Die Kritiker einer Grundgesetzänderung sehen sich nach dem Karlsruher Urteil in ihren Bedenken bestärkt. Wolfgang Nescovic, Rechtspolitiker der Linkspartei, sieht einen Hinweis an die große Koalition, dass das Gericht „schon sehr wachsam ist“. Auch die Innenpolitiker der Grünen finden, Soldaten gehörten weder vor Fußballstadien noch in die Strafverfolgung. Darauf sollte sich auch Wolfgang Schäuble (CDU) als „deutscher Verfassungsminister“ besinnen, sagt Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele. Gegen eine Grundgesetzänderung sind auch die FDP, die Gewerkschaft der Polizei, Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) pflichtet bei: „Die Debatte um den Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft hat einen Dämpfer bekommen. Das begrüße ich sehr.“ Peter Danckert (SPD), Vorsitzender des Sportausschusses, sagte nach einer gemeinsamen Sitzung mit dem Innenausschuss mit Blick auf die WM: „Niemand von uns erwartet, dass es in der verbleibenden Zeit noch zu einer Verfassungsänderung kommen wird.“

Ulrich Schellenberg, Vorsitzender des Berliner Anwaltsvereins, warnt erneut ein Gesetz „mit heißer Nadel“ zu stricken. Beachte man, dass von Karlsruhe wesentliche Gesetze der alten Bundesregierung für zumindest in Teilen verfassungswidrig erklärt wurden, „so kann man den Eindruck gewinnen, dass in weiten Teilen der Politik der Kompass für unsere Verfassung abhanden gekommen ist“.

D. Lüdemann[M. Meisner], J. Poggenpohl

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