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Politik: Unfreiwilliger Rückzug

Frankreichs Premier Villepin gibt nun doch den Protesten nach – und fühlt sich unverstanden

Hartnäckig bis zum Äußersten hatte er auf seiner Reform bestanden, der Aufhebung des Kündigungsschutzes für Berufsanfänger. Am Ende musste Frankreichs Premierminister Dominique de Villepin dann doch klein beigeben. Seit Wochen waren Frankreichs Gewerkschaften, Studenten- und Schülerverbände gegen den „Cotrat première embauche“ (CPE), den Erstanstellungsvertrag für Jugendliche unter 26 Jahren, Sturm gelaufen. Das Einzige, was dem Premier nun blieb, war, dass er das Scheitern der Gesetzesreform selbst bekannt geben konnte. „Die notwendigen Bedingungen des Vertrauens und der Ruhe für die Anwendung des CPE sind weder bei den Jugendlichen noch bei den Unternehmen gegeben“, erklärte Villepin am Montag.

An die Stelle des im Gesetz über die Chancengleichheit enthaltenen CPE soll jetzt, so der Regierungschef, ein Plan zur besseren Eingliederung benachteiligter Jugendlicher in den Arbeitsmarkt treten. Der vom Fernsehen übertragenen Ankündigung des Regierungschefs war eine Beratung im Elysée-Palast vorausgegangen. bei der der CPE unter Vorsitz von Staatspräsident Jacques Chirac endgültig begraben worden war. Noch vor einer Woche hatte der Präsident den CPE „aus Respekt vor dem Gesetz“ in Kraft gesetzt, seine Anwendung aber ausgesetzt. Die darin vorgesehene zweijährige Probezeit und die Möglichkeit unbegründeter Kündigungen sollten zunächst revidiert werden.

Mit der neuen Regelung wird der CPE nun ganz hinfällig. Die bereits bestehenden Maßnahmen zugunsten benachteiligter Jugendlicher sollen jetzt noch weiter verstärkt werden. Das beschlossen der Premierminister, die zuständigen Minister und der Vorsitzende der Regierungspartei UMP, Innenminister Nicolas Sarkozy am Montag. Für diesen Plan sollen auch zusätzliche Haushaltsmittel bereitgestellt werden.

Die entsprechende Gesetzesinitiative wurde noch am Nachmittag in die Nationalversammlung und in den Senat eingebracht. Sie soll noch vor der parlamentarischen Osterpause die erste Lesung passieren und damit der ultimativen Forderung von Gewerkschaften sowie Studenten- und Schülerverbänden entgegenkommen. Diese hatten den definitiven Verzicht auf den umstrittenen CPE bis zum 15. April zur Voraussetzung für weitere Gespräche mit der Regierung gemacht. Villepins Rückzug verbuchten sie nun als Erfolg. „Wir haben das Wesentliche erreicht“, sagte Francois Chérèque, Generalsekretär der Gewerkschaft CFDT. Einige Studenten- und Schülerverbände wollten trotz ihres „historischen Siegs“ mit Blockaden den Druck auf die Regierung fortsetzen. So hieß es an der Universität in Rouen, die Studenten wollten nun auch die im Sommer verabschiedete Lockerung des Kündigungsschutzes in Kleinbetrieben kippen. An diesem Dienstag wollen die Studenten Straßen in und um Rouen blockieren. Für Streiks stimmten auch Studenten an der Universität Lille I in Nordfrankreich und an der südwestfranzösischen Hochschule Toulouse-Le Mirail.

Villepin versuchte sich am Montag für seinen Kurs zu rechtfertigen: Er habe wegen der dramatischen Situation und der Verzweiflung vieler junger Leute schnell handeln wollen. Das sei nicht von allen verstanden worden. Er wirkte ernst und angeschlagen. Vermutlich wäre der Premier, der sein politisches Überleben an seine Reform geknüpft hatte, ohne Chiracs schützende Hand heute nicht mehr im Amt. Doch diesen Triumph mochten weder Chirac noch er dem auf seine Chance bei der Präsidentenwahl 2007 lauernden Sarkozy gönnen. Frankreich blieb eine Regierungskrise zunächst erspart.

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