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Ungarn: Opposition lehnt Gespräche ab

Die größte ungarische Oppositionspartei Fidesz hat dem Gesprächsangebot von Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany eine Absage erteilt. Man betrachte Gyurcsany als "persona non grata" in der Politik.

Budapest - "Er selbst ist das Problem", sagte ein Sprecher der konservativen Partei des früheren Ministerpräsidenten Viktor Orban. Gyurcsany hatte zuvor die Chefs aller Parlamentsfraktionen zu einem Gespräch über die seit Tagen anhaltenden regierungsfeindlichen Demonstrationen eingeladen. Nach zwei Krawallnächten zeigte sich die Polizei besser auf die Proteste vorbereitet. Dennoch gab es auch in der Nacht zum Donnerstag wieder mehrere Verletzte und zahlreiche Festnahmen.

In dem Gespräch sollte es nach Angaben einer Regierungssprecherin um die "politische Situation, die Erfahrungen und die Ereignisse, die vor uns liegen" gehen. Neben Fidesz wies auch die Christdemokratische Volkspartei das Gesprächsangebot Gyurcsanys zurück. Allein das kleine Demokratische Forum MDF, eine Mitte-Rechts-Oppositionspartei, akzeptierte. Die Hauptsache sei jetzt, dass die Ordnung wiederhergestellt wird, sagte einer ihrer Führer. Damit wollten an dem Treffen am Nachmittag drei der fünf im Parlament vertretenen Parteien teilnehmen: Gyurcsanys Sozialisten, ihr Koalitionspartner, die Liberalen, sowie das Demokratische Forum.

Steine und Tränengas

Wie in den Vortagen hatten sich am Mittwochabend mehr als 10.000 Menschen vor dem Parlamentsgebäude in Budapest versammelt, um den Rücktritt Gyurcsanys zu fordern. Vor allem junge Leute zwischen 20 und 30 Jahren kamen zusammen, um gegen den sozialistischen Regierungschef zu protestieren. In der Menge waren zahlreiche rot-weiße Fahnen zu sehen, die für das Nazi-freundliche ungarische Regime während des Zweiten Weltkriegs stehen. Schwer bewaffnete Polizisten mit kugelsicheren Westen riegelten das Gebäude ab. Die Demonstration löste sich in den frühen Morgenstunden friedlich auf.

Nach der Kundgebung gab es allerdings Zusammenstöße zwischen der Polizei und 200 bis 300 gewaltbereiten Jugendlichen, unter ihnen Skinheads. Sie warfen mit Steinen auf die Beamten; diese setzten Tränengas ein. 16 Menschen wurden verletzt, zwei von ihnen schwer, wie ein Sprecher der Rettungsdienste sagte. 62 Randalierer wurden festgenommen, womit sich die Zahl der bisher bei den Protesten Festgenommenen auf mehr als 200 erhöhte.

Gyurcsany trifft Merkel

Einer der Organisatoren der Kundgebungen, Christian Hajdu, verurteilte die Gewalt. Er warf einer "Minderheit von Nationalisten" vor, die Demonstrationen auszunutzen, um von sich zu reden zu machen. Die Kritiker Gyurcsanys wollen nach seinen Angaben bis zum 29. September, zwei Tage vor den Kommunalwahlen am 1. Oktober, ihre Proteste auf dem Platz vor dem Parlament fortsetzen.

Anlass ist eine am Sonntag veröffentlichte Rede, die Gyurcsany im Mai hinter verschlossenen Türen vor Abgeordneten seiner Partei gehalten hatte. Darin räumte der sozialistische Ministerpräsident ein, die Regierung habe die Bevölkerung vor der Parlamentswahl im Frühjahr monatelang über die Wirtschaftslage im Land belogen. Im Wahlkampf hatten die Sozialisten den Wählern Steuersenkungen und höhere Sozialausgaben versprochen, nach der Wahl führten sie stattdessen scharfe Reformen ein, darunter Steuererhöhungen, Subventionskürzungen im Energiesektor und Entlassungen im öffentlichen Sektor. Für Freitag wurde Gyurcsany in Berlin erwartet. Dort wollte er mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammentreffen. (tso/AFP)

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