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Heraeus Unicef

© dpa

Unicef-Chef Jürgen Heraeus: "Unicef ist eine intakte Organisation"

Nach dem Spendenskandal bei Unicef war es lange still um die Organisation. Unicef-Chef Jürgen Heraeus über Veränderungen, neues Vertrauen und die Zurückhaltung der Großverdiener.

Das Amt des Unicef-Vorsitzenden war Ihnen offenbar sehr wichtig - Sie haben sich selbst bei der Organisation gemeldet, nicht umgekehrt.

Ich hatte im vergangenen Winter meine Hilfe angeboten, weil ich nicht verstanden habe, warum sich die Führung öffentlich stritt und dadurch viele Menschen verunsicherte. Ich habe damals nicht daran gedacht, Vorsitzender zu werden.

Was meinen Sie, hat den Ausschlag für Sie als neuen Vorsitzenden gegeben?

Da müssten Sie meine Vorstandskollegen fragen.

Sie hatten vorher mit Unicef nichts zu tun. Warum hat Sie die Krise beim Kinderhilfswerk besonders beschäftigt?

Unicef ist eine unglaublich guter Name und macht eine gute Arbeit - das muss so bleiben! In fast allen Ländern leistet die Organisation vor, während und nach akuten Notsituationen Hilfe - unabhängig von der Politik. Ob in Birma nach dem Zyklon, im Irak, Nordkorea oder im Sudan. Die Kombination aus Soforthilfe, langfristiger Entwicklungsarbeit und politischer Kinderrechtsarbeit ist einmalig. Das hat mich gereizt, bei dieser Organisation mitzuhelfen.

Und was haben Sie dann dafür getan?

Die wichtigste Veränderung war, dass der Geschäftsführer jetzt kein Mitglied des Vorstands mehr ist, sondern sich vom Vorstand führen lassen muss. So sind die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten klar. Der Geschäftsbericht informiert detailiert über Arbeit, Strukturen und Finanzen. Wir haben die Geschäftsabläufe überprüft. Kürzlich haben wir die Satzung modernisiert - zum Beispiel was die Begrenzung der Amtsdauer von Vorstandsmitgliedern angeht. Wir haben die Rolle der Ehrenamtlichen im Komitee gestärkt. Das war alles nicht sehr dramatisch. Unicef war und ist eine intakte und sehr erfolgreiche Organisation. Zwar sind Fehler gemacht worden, allerdings waren diese nicht so gravierend, wie es sich teilweise in der Öffentlichkeit dargestellt hat.

Immerhin ist Unicef das Spendensiegel aberkannt worden.

An Mitarbeiter waren in wenigen Fällen Provisionen für eingeworbene Spenden gezahlt worden. Das erlaubt auch das Institut, das das Siegel vergibt. Voraussetzung ist aber, dass dies gegenüber den Spendern offen gemacht wird. Es war ein unverständlicher Fehler, dies nicht zu tun. Heute gibt es bei Unicef keine provisionsabhängigen Verträge mehr.

Was ist jetzt Ihre wichtigste Aufgabe?

Da ist vor allem die inhaltliche Arbeit. Mit den Spenden aus der diesjährigen Weihnachtsaktion wollen wir zum Beispiel Hilfsprojekte gegen Kinderarbeit unterstützen. Und dann geht es mir darum, deutlich zu machen, das Unicef Treuhänder der Spender ist. Dazu gehört, dass diese darauf vertrauen können, dass ihr Geld dorthin geht, wo es angezeigt wird und die Kosten so niedrig wie möglich gehalten werden. Und wir müssen strategisch darüber nachdenken, wie wir im Wettbewerb der Spendenorganisationen untereinander vorgehen. Wir sollten zudem nach neuen Kooperationsmöglichkeiten suchen und überlegen, wie wir die Spendenbereitschaft in unserem Land insgesamt fördern können.

Wie könnte das gehen?

Zum Beispiel wenn es möglich wäre, mehr Firmen dafür zu gewinnen, für Projekte in Ländern zu spenden, in denen sie bereits Geschäfte machen. Die Unternehmensberater Roland Berger und Ernst & Young haben uns da - pro bono - interessante Vorschläge gemacht, die ich prüfe.

Vielleicht helfen hier auch Provisionszahlungen?

In einer von Ehrenamtlichen getragenen Organisation sind Provisionen ein sensibles Thema. Macht der eine seine Arbeit freiwillig, und der andere wird dafür bezahlt kann dies zu Problemen führen. Deshalb werden wir dieses Thema gründlich diskutieren.Wenn zum Beispiel ein Mitarbeiter oder Externer auf ein Einzelprojekt gesetzt, wird das mit viel Aufwand verbunden ist, also mit Präsentationen, vielen Gesprächen, Beziehungenspflege und so weiter, und bei Erfolg wird eine entsprechende Provision zahlt, die vernünftig gedeckelt ist, hätte ich damit grundsätzlich kein Problem. Dies ist zum Beispiel in Hochschulen durchaus üblich. Aber so lange da kein Konsens besteht, machen wir dies nicht mehr.

Wollen Sie das Spendensammeln weiter professionalisieren?

Ja, auch in der Art, wie wir die Leute ansprechen. Zum Beispiel hält sich die Zahl der Großverdiener in Deutschland, die persönlich spenden, noch in Grenzen. Diese Kultur, dass man dort, wo die hohen Bezüge sind, etwas abgibt, ist bei uns bei weitem nicht so entwickelt wie in den USA. Wenn es geschieht, wird dies manchmal sogar skeptisch betrachtet - nach dem Motto "der hat's ja". Das würde ich gerne verbessern helfen. Aber darüber dürfen wir nicht vergessen, es sind vor allem die vielen kleinen Spender, die den Erfolg von Unicef ausmachen.

Noch einmal ein Blick zurück: War die interne Stimmung bei Unicef eines der größten Probleme im vergangenen Jahr?

Unicef hatte mit das größte Spendenaufkommen in Deutschland. Sein Geschäftsführer Dietrich Garlichs war über Jahre außerordentlich erfolgreich. Aber es ist ihm offensichtlich nicht gelungen, alle Mitarbeiter mitzunehmen. Es muss dann zwischen der neuen Vorsitzenden Heide Simonis und dem Geschäftsführer keine wirkliche Kommunikation gegeben haben. Jeder ist wohl seinen Weg gegangen, und das kann nicht funktionieren.

Das Gespräch führte Ruth Ciesinger

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