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Union und SPD: Die "Reichensteuer" wird zum Zankapfel

Je näher das Ziel - der Koalitionsvertrag - rückt, desto größer wird der Druck. Zu Beginn der "Woche der Entscheidung" war am Montag in Berlin bereits von Erpressung die Rede.

Berlin - Die «Reichensteuer», die die SPD als Aufschlag auf besonders hohe Einkommen fordert, hat sich innerhalb weniger Tage als Zankapfel der Koalitionsverhandlungen herausgeschält. CDU-Generalsekretär Volker Kauder wies die Forderung der Verhandlungspartner umgehend zurück: «Öffentliche Erpressungsversuche führen uns nicht weiter.» Doch hinter den Kulissen hat die Union diese Steuervariante bereits durchgespielt.

Der scheidende SPD-Vorsitzende Franz Müntefering bekräftigte, seine Partei werde einer Mehrwertsteuererhöhung nur zustimmen, wenn die Union die «Reichensteuer» akzeptiert. «Wie das Kind genannt wird, ist nicht wichtig.» Damit nicht genug: Die SPD-Spitze denkt darüber nach, das Konzept noch zu verschärfen. Um höhere Einnahmen zu erzielen, könnten die Einkommensgrenzen weiter gesenkt werden. Bisher soll ein Sonderzuschlag von drei Prozent zur Einkommensteuer für Spitzenverdiener mit einem Jahreseinkommen ab 250 000 Euro (Ledige) oder 500 000 Euro (Verheiratete) erhoben werden.

Kauder nannte die Forderung der SPD nach einem Deal zwischen «Reichen»- und Mehrwertsteuer wenig hilfreich. Sicher nicht zu seiner Freude hatten sich aber zwei führende CDU-Politiker bereits offen dafür gezeigt. Hessens Ministerpräsident Roland Koch signalisierte Zustimmung zu einer Kombination aus Mehrwertsteuererhöhung und einer stärkeren Belastung höherer Einkommen. «Alle in dieser Gesellschaft, auch die Besserverdienenden, müssen dazu beitragen, dass wir die Krise Deutschlands beseitigen.» Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff verriet, er habe mit einer Reichensteuer «überhaupt kein Problem». Zuerst müssten aber Ausgaben gesenkt werden, betonte der CDU-Vize.

Die beiden Länderchefs bekamen prompt Gegenwind aus den eigenen Reihen. Ein führendes Unions-Mitglied kritisierte: «Man kann nicht irgendwelche Verhandlungslinien vorher aufgeben.» Die Unionsspitzen versammelten sich in der bayerischen Landesvertretung in Berlin, um die Strategie für den Endspurt der Verhandlungen festzulegen. Dabei wurde deutlich: Die «Reichensteuer» ist noch nicht vom Tisch. Zunächst soll aber gelten: Sparen, sparen, sparen. «Nur als Steuererhöhungs-Koalition zu gelten, macht überhaupt keinen Sinn», sagte ein Teilnehmer der Runde. Nach der Sitzung sprach Koch dann von einem «grundfalschen Signal» der Steuer für Reiche.

Was sich bereits abzeichnet, ist die Mehrwertsteuer-Erhöhung. Doch die Höhe ist unklar. Nachdem der designierte SPD-Chef Matthias Platzeck die 20-Prozent-Marke nicht ausgeschlossen hat, macht nun eine Anhebung um zwei oder drei Punkte auf 18 oder 19 Prozent die Runde in der Union. Die Erhöhung soll so niedrig wie möglich sein, damit die Konjunktur nicht einen Dämpfer bekommt. Aber die Union will nicht nur die Einnahmen verbessern - sie hält auch an ihrem Ziel einer Senkung der Lohnnebenkosten fest. Schließlich soll das zusätzliche Geld nicht nur in die Haushaltssanierung fließen.

Ob die «Reichensteuer» kommt, wie hoch die Mehrwertsteuer angehoben werden könnte - das alles hängt auch davon ab, wie sich die SPD bewegt bei Reformen am Arbeitsmarkt. Die Union fordert Zugeständnisse für mehr Flexibilität beim Kündigungsschutz. Groß sind die Gräben auch bei der Frage nach einer Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken und den Plänen für eine Gesundheitsreform. Das Thema Gesundheit ist nach Ansicht von Wulff am schwierigsten in den Verhandlungen.

Wie sich die Union auch entscheidet: Wenn die Steuer für Reiche kommen sollte, dürfte CDU-Chefin Angela Merkel als verheiratete Bundeskanzlerin kaum darunter fallen - zumindest nicht nach den ursprünglichen Forderungen der SPD. (Von Marc-Oliver von Riegen, dpa)

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