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SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles (links) und Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU): Die beiden Verhandlungsführerinnen im Bereich Soziales.

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Update

Koalitionsverhandlungen: Union und SPD wollen "angemessene" Vergütung für Praktikanten

Union und SPD einigen sich auf die ersten konkreten Punkte für ein Regierungsprogramm. Doch die Unterschiede zwischen den Parteien streichen sie deutlich heraus. Am Abend gab es Teileinigungen in der Arbeitsgruppe Soziales.

Von
  • Hans Monath
  • Robert Birnbaum

Von sozialdemokratischen Gedanken wollte sich Markus Söder (CSU) im Willy-Brandt-Haus ausdrücklich nicht durchdringen lassen. Als der bayerische Finanzminister mit dem EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz (SPD) und dem CDU-Europapolitiker Herbert Reul nach dem Treffen der großen Verhandlungsrunde von Union und SPD am Mittwoch in der SPD-Parteizentrale vor die Presse trat und mit einer gewissen Lust am Unterschied offene Streitfragen in der Europapolitik referierte, hatte der Sozialdemokrat Schulz eine Idee: Aus der Hand der Bronzefigur des SPD-Übervaters Willy Brandt, bat er, solle doch Geist auf den CSU-Politiker ausstrahlen. Doch der Franke fiel ihm ins Wort. „Ich würde mir da net zu viele Hoffnungen machen“, meinte er: „Das glaub’ ich net.“

CSU betont die Unterschiede bei den Koalitionsverhandlungen

Auch nach der ersten Einigung der großen Verhandlungsrunde, die sich mit Europa und Euro-Rettung befasst hatte, war Söder deutlich bemüht, die CSU-Akzente herauszustreichen, schließlich stehen im Frühjahr Europawahlen an. Zwar betonte der bayerische Finanzminister, beide Seiten hätten mit dem Treffen demonstrieren wollen, „dass wir eine gemeinsame Basis haben, dass wir eine handlungsfähige Regierung bilden können, die der Verantwortung in Europa auch gerecht werden kann“. Und wichtige Gemeinsamkeiten wurden auch festgeschrieben, etwa ein Bekenntnis zur Finanzmarkttransaktionssteuer oder zum Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit in der EU. Doch Söder betonte auch stark die CSU-Ziele, in Europa Volksabstimmungen zu ermöglichen oder Regeln für ein Ausscheiden eines Staates aus der Euro-Zone aufzustellen, die es bekanntlich bislang nicht gibt.

Nicht nur die SPD steht der geregelten Insolvenz von Euro-Ländern oder Referenden über Euro-Entscheidungen skeptisch gegenüber, weil die in ihren Augen ein gefährliches Instrument darstellen. Hinter verschlossenen Türen meldete sich auch die Bundeskanzlerin zu Wort, nachdem Söder die CSU-Positionen ausführlich referiert hatte. Es gebe Politikfelder, auf denen es in Nuancen Unterschiede zwischen CDU und CSU gebe, sagte Angela Merkel (CDU) nach Angaben von Teilnehmern. Die Sozialdemokraten in der Runde der 75 aber verstanden die eher milde Formulierung als klare Intervention und deutliche Distanzierung. Die Differenzen zwischen CDU und CSU, so hinterher die SPD-Deutung, seien in manchen Europafragen oft größer als die zwischen Union und der eigenen Partei.

Große Koalition will Verantwortung in Europa wahrnehmen

Das aber dürfte eine Übertreibung sein. „Es gibt ein hohes Maß an Gemeinsamkeiten in wichtigen Fragen, aber es bleiben Fragen offen“, sagte der CDU- Mann Reul – und auch Martin Schulz bemühte sich nicht, die Differenzen klein zu reden. Die große Runde der Verhandler hatte am Mittwoch offenbar keine weitergehende Einigung erzielen können, als diejenige, auf die sich zuvor die Unterarbeitsgruppe Europa unter Leitung von Reul und Schulz schon verständigt hatte. Dass beide Seiten nun die Finanztransaktionssteuer und den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit als erstes konkretes Ergebnis für ein Regierungsprogramm präsentierten, zwei schon vor Jahren zwischen Union im SPD vereinbarte Punkte, war deshalb auch als Signal an die Welt außerhalb Deutschlands gemeint, dass die große Koalition ihre Verantwortung in Europa wahrnehmen will.

Einen Großteil der Debatte verwendeten beide Seiten auf die Streitpunkte Bankenunion sowie Regelungen zur Bankenabwicklung. Zwar will auch die Union verhindern, dass Steuerzahler die Rettung von Banken bezahlen müssen und befürwortet deshalb einen von den Banken finanzierten Rettungsfond. Offen ist aber, woher die Mittel für die Rettung kommen sollen, solange dieser Bankenfond noch nicht gefüllt ist. Auch den von der SPD geforderten Schuldentilgungsfond zur Entlastung von EU-Krisenstaaten lehnt die Union ab. „Ein Schuldentilgungsfond ist mit CDU und CSU nicht zu machen“, sagte Reul.

Nationalstaaten sollen wieder mehr Kompetenzen bekommen

Gemeinsam verfolgen Union und SPD das Ziel, verloren gegangenes Vertrauen in die EU zurückzugewinnen. Als wichtiges Instrument dafür sehen sie die Verlagerung von Zuständigkeiten zurück in die Nationalstaaten. Demnach sollen sich europäische Institutionen in Brüssel nur dann einer politischen Frage annehmen, wenn zuvor regionale oder nationale Versuche zur Problemlösung fehl geschlagen sind. Eine Änderung europäischer Verträge sei dafür nicht nötig, sagte Schulz.

Personalfragen wurden nicht in der Verhandlungsrunde, sondern nur in der Pressekonferenz angesprochen. Ob die Union ihn zum EU-Kommissionspräsidenten machen wolle, wurde Schulz da gefragt. Antwort des EU-Parlamentspräsidenten: „Über Personalfragen in Europa wird diese Bundesregierung sicher nach der Europawahl diskutieren.“

Geld für Praktikanten und Schulung für junge Arbeitslose

Am Abend meldeten SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles und Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) Teileinigungen in der Verhandlungsgruppe Soziales. Nahles berichtete, dass es für Praktikanten eine „angemessene" Vergütung geben solle. Leyen sagte, dass junge Arbeitslose ohne Abschlüsse konsequent nachgeschult werden sollen. (mit AFP)

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