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Unruhen in Kenia

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Unruhen in Kenia: Wahlleiter spricht von Unregelmäßigkeiten

Der nationale Wahlleiter in Kenia, Samuel Kivuitu, hat erstmals Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Sieges von Amtsinhaber Mwai Kibaki eingeräumt. Wegen der Gewalteskalation sollen derzeit mehr als 100.000 Mensch auf der Flucht sein.

Fast 300 Menschen kamen nach Schätzungen des Roten Kreuzes und örtlicher Medien binnen weniger Tage ums Leben. Die internationale Gemeinschaft verstärkte am Mittwoch ihren Druck auf die politischen Kontrahenten in Nairobi, die Krise beizulegen. Die USA und Großbritannien riefen zu einem Ende der Gewalt und zum Dialog auf. Die Afrikanische Union (AU) will in dem Konflikt vermitteln. Hintergrund ist der umstrittene Ausgang der Präsidentenwahl. Die Opposition spricht von Wahlfälschung.

Appel an politische Führer

US-Außenministerin Condoleezza Rice und ihr britischer Kollege David Miliband appellierten in einer gemeinsamen Erklärung an die rivalisierenden politischen Führer, für ein Ende der Gewalt zu sorgen. Es gebe unabhängige Berichte über gravierende Unregelmäßigkeiten bei der Stimmenauszählung, kritisieren beide Politiker. Der südafrikanische Friedensnobelpreisträger und frühere Erzbischof Desmond Tutu wollte Berichten zufolge in dem Konflikt vermitteln. Der AU-Vorsitzende John Kufuor wollte noch am Mittwoch nach Nairobi reisen und sich mit Kibaki treffen.

Der nationale Wahlleiter, Samuel Kivuitu, räumte erstmals Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Sieges von Amtsinhaber Mwai Kibaki bei der Wahl am vergangenen Donnerstag ein. Zugleich sprach er sich für eine unabhängige Untersuchung aus. "Ich weiß nicht, ob Kibaki gewonnen hat", zitierte ihn die Zeitung "Der Standard". Sowohl Regierung als auch Opposition hätten ihn unter Druck gesetzt, sagte der Wahlleiter. Die Wahlkommission hatte Präsident Kibaki am Sonntagabend mit 230.000 Stimmen Vorsprung vor seinem Rivalen Raila Odinga zum Sieger erklärt. Nach Auszählung der Stimmen in 90 Prozent der Wahlkreise hatte noch Odinga in Führung gelegen.

75.000 Menschen in Rift Valley auf der Flucht

Allein im zentralkenianischen Rift Valley sind nach Angaben des Roten Kreuzes rund 75.000 Menschen auf der Flucht. Im ebenfalls von Gewalt erfassten Westen des Landes fliehen immer mehr Menschen ins benachbarte Uganda. Die meisten von ihnen sind Kikuyu und damit Angehörige der Volksgruppe Kibakis. Im Ort Eldoret im Westen Kenias waren am Dienstag mindestens 35 Menschen bei lebendigem Leibe verbrannt, als ein Mob die Kirche anzündete, in der sie Zuflucht gesucht hatten. Aus Furcht vor Angriffen und Plünderungen verschanzen sich viele Menschen örtlichen Medienberichten zufolge in ihren Häusern oder in Polizeistationen und versuchen, sich zu bewaffnen.

Die Anhänger von Odinga und Kibaki machen sich gegenseitig für die Ausschreitungen verantwortlich. Ein Regierungssprecher warf Odingas Anhängern im Sender BBC "ethnische Säuberungen" vor. Odinga wiederum beschuldigte das Kibaki-Lager des "Völkermordes". Auf die Frage, ob er seine Anhänger zur Ruhe aufrufen werde, sagte Odinga: "Ich weigere mich, dem kenianischen Volk eine Narkose zu geben, damit es vergewaltigt werden kann." Die Opposition hat für diesen Donnerstag zu einer Massendemonstration in Nairobi aufgerufen, die von der Regierung untersagt worden ist.

Die Deutsche Welthungerhilfe schloss ihr Büro in der Hauptstadt Nairobi. Das teilte ein Sprecher der Hilfsorganisation mit. Für die Beschäftigten der Niederlassung - derzeit acht Deutsche, ein Amerikaner und rund 100 Kenianer - sei eine Ausgangssperre verhängt worden. In dem ostafrikanischen Urlaubsland halten sich nach Schätzungen des Auswärtigen Amtes zur Zeit mehrere tausend deutsche Touristen auf.

Keine Bürgerkriegsgefahr

Nach Einschätzung des Afrikaexperten Professor Rolf Hofmeier besteht keine Gefahr eines Bürgerkriegs. "Insbesondere durch die USA und Großbritannien wird so viel Druck ausgeübt, dass dieses schlimmste Szenario verhindert werden kann", sagte der Experte vom Hamburger Institut für Afrika-Kunde. Hofmeier rechnet damit, dass Polizei und Sicherheitskräfte in den kommenden Tagen die Lage unter Kontrolle bringen.

In Berlin sagte eine AA-Sprecherin, die Botschaft versuche, Urlauber per SMS oder auch telefonisch über die Lage zu informieren. Den Betroffenen rät das Außenamt, Massenansammlungen zu meiden und möglichst in den Hotels zu bleiben. Jährlich besuchen etwa 200.000 deutsche Touristen das ostafrikanische Land. Deutschland stellt zudem mit fast 5000 Personen nach der früheren Kolonialmacht Großbritannien die größte dauerhaft in Kenia lebende ausländische Gemeinschaft.

Viele Reiseveranstalter bieten den Urlaubern kostenlose Umbuchungsmöglichkeiten an. Allerdings bekommen diejenigen Touristen, die derzeit im Badeurlaub oder auf einer Safari in Kenia sind, von den Ausschreitungen kaum etwas mit, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa unter mehreren großen Veranstaltern ergab. (mbo/dpa)

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