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Unruhen: Massenproteste im Iran gehen weiter

Trotz massiver Drohungen des Regimes und zahlreicher Toter bei Protesten am Wochenende haben Anhänger der Reformbewegung im Iran am Montag erneut im Zentrum von Teheran demonstriert.

Auf dem Haft-e-Tir-Platz versammelten sich am Nachmittag nach Angaben von Augenzeugen rund 1000 Menschen. Ausländischen Medien ist es seit Tagen nicht mehr erlaubt, von vor Ort zu berichten. Auch der bei den Präsidentenwahlen offiziell unterlegene Reformpolitiker Mir Hossein Mussawi ging offen auf Konfrontationskurs zum Obersten Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei. Trotz neuerlicher Drohungen, man werde alle Proteste mit großer Härte niederschlagen, rief er seine Anhänger zu weiteren Kundgebungen auf. "Der Protest gegen Lügen und Betrug ist euer Recht", erklärte Mussawi auf seiner Internetseite.

Medienberichten zufolge führt der einflussreiche Vorsitzende des Expertenrates, Hashemi Rafsandschani, seit Tagen Gespräche mit führenden Klerikern in der Stadt Qom, dem religiösen Zentrum des Landes. Er versucht angeblich, sie für den Plan zu gewinnen, die Macht von Ajatollah Ali Chamenei zu beschneiden. Für Verwirrung sorgten am Montag Meldungen staatlicher Fernsehsender, nach denen der Wächterrat zu dem Ergebnis gekommen sei, dass es bei der Präsidentenwahl in 50 Städten zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei. Ein Sprecher des Gremiums erklärte daraufhin, dies sei nicht das Prüfergebnis des Wächterrates, sondern lediglich der Vorwurf der drei unterlegenen Kandidaten.

Ausgelöst durch die anhaltende Kritik des Westens am Vorgehen Teherans nach der Wiederwahl Ahmadinedschads erwägt der Iran die Ausweisung europäischer Diplomaten. Außenamtssprecher Hassan Ghaschghawi sagte am Montag in Teheran, über diesen drastischen Schritt werde derzeit in seinem Haus sowie im Parlament beraten. Zuvor hatte die italienische Botschaft in Teheran angekündigt, ihr Gelände von sofort an für verletzte Demonstranten zu öffnen - ein bislang beispielloser Schritt. Die Botschaft sei angewiesen worden, verletzten Angehörigen der Protestbewegung medizinische Hilfe zu gewähren, teilte das Außenministerium in Rom mit. Das Vorgehen sei mit den anderen europäischen Staaten abgestimmt.

Video sorgt weltweit für Aufsehen

Zwischen Deutschland und Iran wird der Ton ebenfalls immer schärfer. Führende deutsche Politiker wiesen am Montag die Vorwürfe des iranischen Parlamentspräsidenten Ali Laridschani zurück, Deutschland mische sich in innere Angelegenheiten des Landes ein. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm betonte, die harsche Reaktion auf deutsche Stellungnahmen sei aus Sicht der Bundesregierung ungerechtfertigt. Die Erklärungen stünden vielmehr im Einklang mit dem Völkerrecht.

Seit Sonntag sorgt ein Video im Internet weltweit für Aufsehen, das angeblich den Tod einer jungen Frau am Rande der Demonstration in Teheran vom Samstagabend zeigt. Nach Angaben eines Arztes, der die junge Frau am Straßenrand wieder zu beleben versuchte, wurde sie von einem Scharfschützen der Basij-Milizen tödlich getroffen, während sie vorüber ziehende Demonstranten beobachtete. Wie Hadi Ghaemi von der Internationalen Kampagne für Menschenrechte im Iran gegenüber unserer Zeitung bestätigte, hat seine Organisation im Laufe des Sonntags mindestens einen weiteren Zeugen in Teheran befragen können, der den Vorfall am Samstag mit eigenen Augen gesehen hat. Nach dessen Angaben waren zum Zeitpunkt des Schusses keine Paramilitärs auf der Straße zu sehen. "Das Video ist authentisch, daran habe ich keinen Zweifel", sagte Ghaemi, auch weil von dem Tod der jungen Frau zwei Videos aus unterschiedlicher Perspektive existierten.

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