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Politik: Unter den Augen Europas

Die OSZE-Staaten machen mit dem Kampf gegen Antisemitismus Ernst. Erstmals sollen Regierungen alle Übergriffe gegen Juden melden

Eine Tagung, auf der nur geredet wird, sollte die Berliner OSZE-Konferenz zum Antisemitismus auf keinen Fall werden. Deswegen gab es ein erstes konkretes Ergebnis schon vor dem eigentlichen Konferenzbeginn an diesem Mittwoch: Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verständigte sich in der vergangenen Woche darauf, Informationen über antisemitische Übergriffe und über Initiativen zur Bekämpfung des Antisemitismus zu sammeln und regelmäßig darüber zu berichten. Das mag auf den ersten Blick nicht wie ein großer Schritt wirken. Doch bisher gibt es beispielsweise kaum Erkenntnisse über die Verbreitung des Antisemitismus in Osteuropa. „Die Regierungen sind nun gerade in der Pflicht“, sagte Stephan M. Minikes, US-Botschafter bei der OSZE, dem Tagesspiegel. Sie müssen die Informationen über antisemitische Straftaten selbst an die OSZE melden. Mit diesem Monitoring kommt die OSZE einer zentralen Forderung der Nichtregierungsorganisationen nach.

Zahlreiche NGOs, darunter das American Jewish Committee, der Zentralrat der Juden in Deutschland und die Amadeu-Antonio- Stiftung, trafen sich bereits am Dienstag zu einer Vorkonferenz, um künftig besser zusammenzuarbeiten. Zugleich formulierten sie hohe Ansprüche an die OSZE-Konferenz und forderten einen Aktionsplan: „Wir erwarten von der OSZE nicht nur die Verurteilung des Antisemitismus, sondern konkrete Schritte“, sagte Deidre Berger, die das Berliner Büro des American Jewish Committee leitet. Pragmatische, konkrete Vorschläge im Kampf gegen Antisemitismus sollen auch nach dem Willen der Gastgeber vom Auswärtigen Amt im Vordergrund der Debatten stehen.

Das mag selbstverständlich klingen. Doch die Differenzen zwischen der EU und Israel aus dem vergangenen Jahr sollen keinesfalls auf der Berliner Konferenz wieder aufflammen. Ganz vermeiden lässt sich das Thema allerdings auch nicht: Umstritten war bis zuletzt, ob in der „Berliner Erklärung“, die am Schluss der Konferenz verabschiedet werden soll, übermäßige Kritik an Israel verurteilt werden sollte oder nicht. Nach Auffassung der US-Delegation ist dies aber ein zentraler Punkt der Schlusserklärung.

Aus Sicht vieler Teilnehmer ist es bereits ein Erfolg, dass sich die OSZE überhaupt in einer Konferenz mit dem Antisemitismus beschäftigt – und so das Thema ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückt. US-Botschafter Minikes sieht die Konferenz bereits jetzt als „Meilenstein“ für die OSZE. Unumstritten war das Treffen aber im Vorfeld keineswegs – einige Länder waren dagegen, dem Antisemitismus eine eigene Konferenz zu widmen.

Die Konferenz hat aber auch eine symbolische Bedeutung – weil sie in der Stadt stattfindet, in der der Holocaust geplant wurde. Die Bundesregierung will mit der Tagung ein Zeichen setzen, dass sie sich aktiv mit dem Problem des Antisemitismus befasst und die Sorgen der jüdischen Gemeinden ernst nimmt. Vorbereitet wurde die Konferenz vor allem in Berlin und Washington. „Deutschland und die USA hätten nicht enger zusammenarbeiten können“, sagte Minikes. Diese transatlantische Einigkeit könnte ein willkommener Nebeneffekt der Konferenz sein.

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