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Hand auf Hand. Silvio Berlusconi (r.) verspricht gemeinsam mit seinem Wirtschaftsminister Giulio Tremonti größeren Sparwillen.

© dpa

Unter Druck: Was unternimmt Italien gegen die Schuldenkrise?

Die Europäische Zentralbank kauft italienische Staatsanleihen, um dem schuldengeplagten Land bei der Finanzierung zu helfen. Regierungschef Silvio Berlusconi will nun schneller sparen.

Nach einem fiebrig durchverhandelten Wochenende hatte die Europäische Zentralbank am Sonntagabend angekündigt, wieder „aktiv“ Staatsanleihen kaufen zu wollen. Um welche es sich – nach den griechischen, irischen, portugiesischen – diesmal handeln könnte, brauchte die EZB nicht zu erwähnen: Alle wussten, es ging nun um viel größere europäische Gewichte. Um Italien und Spanien.

Noch wenige Tage zuvor war Italien der Schauplatz einer schrägen Politik-Show. Bei seiner Regierungserklärung im Parlament am Mittwochabend hatte Regierungschef Silvio Berlusconi keinen Grund gesehen, auf die immer bedrohlichere Lage zu reagieren: Die Krise sei „nicht italienisch, sondern planetarisch“, sagte er, und Italien auf dem rechten Weg.

In den darauffolgenden 48 Stunden ging es drunter und drüber. Während die Hauptnachrichten des italienischen Staatsfernsehens noch fleißig Berlusconis „krisenfreie“ Sicht der Dinge verbreiteten, reagierte Europa empört. „Es ist frustrierend“, schimpfte ein anonymer Frankfurter Währungshüter, „wie Berlusconi eine derart populistische Rede halten und sagen konnte, es sei alles gut.“

Und plötzlich sah sich Berlusconi von allen Seiten in die Mangel genommen wie noch nie: von den Sozialpartnern, von der EZB, aus Brüssel, Berlin, Paris und Washington; die Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen übertrafen am Freitag plötzlich die des „Krisenlandes“ Spanien – und schließlich, in einer überstürzt einberufenen Pressekonferenz, zog der Regierungschef die Reißleine: „Die Situation verlangt eine Beschleunigung unserer Haushaltsmaßnahmen“, sagte Berlusconi. „Die internationale Spekulation widmet ihre besondere Aufmerksamkeit uns; wir müssen einen Damm errichten.“

Italien, das mit mehr als 1,8 Billionen Euro am zweithöchsten verschuldete Euro-Land, will nun also den für 2014 vorgesehenen Haushaltsausgleich auf 2013 vorziehen, um „die Märkte“ zu besänftigen. Die zunächst auf das Wahljahr 2013 angesetzten Einsparungen von 23 Milliarden Euro sollen nun schon 2012 erfolgen.

Es wird sich – auch wenn Berlusconi diese Wahrheit seinem Volk noch nicht gesagt hat – praktisch ausschließlich um Streichungen von Sozialleistungen und um Kürzungen bei den Renten handeln. Sie addieren sich zu den Erhöhungen aller möglichen staatlichen Gebühren, die dem Fiskus nächstes Jahr 5,5 Milliarden an neuen Einnahmen bringen sollen.

„Da werden wir eben den angeblichen Behinderten, die sich mit Betrug ihre Invalidenrente erschlichen haben, diese wegnehmen“. So redet Finanzminister Giulio Tremonti die Maßnahmen klein – wohlwissend, dass diese Summen nur den geringsten Teil der Maßnahmen darstellen.

Mittlerweile ist aber auch jenes Wort im Umlauf, das Berlusconi und Tremonti bis jetzt strikt vermieden haben. Dieses Wort bekommt Berlusconi, dessen Regierungsprinzip die Versprechungen sind, wohl noch lange nicht über die Lippen. Das Wort heißt „Opfer“. Eingeführt wurde es von den versammelten Wirtschaftsverbänden. Sie fordern die in eigener Sache recht zurückhaltende Politik zum Sparen auf: „Sonst wird es sehr schwierig, Opfer vom Land zu fordern.“

In den realen Wirtschafts- und Finanzdaten Italiens haben die Finanzattacken keine besonders überzeugende Rechtfertigung; das sagen internationale Finanzexperten seit langem; das bestätigten am Sonntagabend auch die G-7-Staaten in einer gemeinsamen Erklärung.

Genauso einig ist sich das politische Europa, dass es dem Land an internationalem Vertrauen mangelt: seines in Affären verstrickten Ministerpräsidenten wegen. Doch dieser sieht keinen Grund, Abhilfe zu schaffen; anders als sein spanischer Kollege Zapatero will Berlusconi seinen Platz nicht räumen: „Die Regierung ist auf Posten“, sagt er, „sie bewältigt die Krise; Neuwahlen wären politischer Selbstmord.“

Die Opposition ist noch immer gespalten. Einige ihrer Spitzenvertreter kündigen an, den Beschluss von Sparmaßnahmen im Parlament mitzutragen – jedenfalls bei sozialer Ausgewogenheit –, andere bestehen vor jeder Zusammenarbeit ultimativ auf dem Rücktritt Berlusconis. Immerhin haben die Parlamentsabgeordneten in der Not ihre Ferien gestrichen. Die Ausschüsse tagen auch im August, um die nach Berlusconis Kehrtwende notwendigen Gesetzesänderungen auf den Weg zu bringen; der Ministerrat soll noch diese Woche erste Dekrete verabschieden.

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