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Politik: Unter strenger Beobachtung

EU-Erweiterungskommissar Rehn besucht die Türkei – und fordert die Anpassung an europäische Rechtsstandards

Die Beitrittsverhandlungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei sind zwar offiziell aufgenommen worden, aber die Türkei kann sich nicht auf diesem historischen Erfolg ausruhen. Das ist die Botschaft, die EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn am Donnerstag bei einem Türkeibesuch überbrachte. Als Beitrittskandidat stehe die Türkei unter noch strengerer Beobachtung als vorher, sagte Rehn. Er betonte, es liege nun an der Türkei selbst, ihre Gesetze an die „Werte, Normen und Standards Europas“ anzupassen. Und das unter hohem Zeitdruck, denn noch im Oktober sollen die konkreten Beitrittsverhandlungen beginnen. Gleichzeitig müsse Ankara die bereits verabschiedeten demokratischen Reformen schneller umsetzen, forderte Rehn. Die bisherige Reformmüdigkeit in Ankara in den vergangenen Monaten wird Folgen haben: Der Türkei drohen äußerst schlechte Zensuren im kommenden EU-Fortschrittsbericht.

In zwei Wochen soll der Bereich Wissenschaft und Forschung als erstes von insgesamt 35 Verhandlungskapiteln der Beitrittsgespräche angegangen werden. Bis zum Jahresende werden noch zwei weitere Kapitel – Bildung und öffentliche Ausschreibungen – eröffnet.

Obwohl diese Themenfelder zu den leichtesten zählen, stellen sie für die Türkei große Herausforderungen dar. So könnte etwa die Forderung laut werden, eine seit über 30 Jahren geschlossene Priesterschule der griechisch-orthodoxen Kirche in Istanbul wieder zu öffnen. Bildungsminister Hüseyin Celik deutete die grundsätzliche Bereitschaft dazu an.

Auch beim Zypernproblem werden die Türken weitere Zugeständnisse machen müssen. Brüssel verlangt die Öffnung türkischer Häfen für Güter aus der griechischen Republik Zypern, die zur EU gehört. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan forderte im Gegenzug, die EU solle sich an ihr Versprechen halten, das sie nach dem Nein der griechischen Zyprer zum UN-Friedensplan im vergangenen Jahr gegeben hatte, und dem türkischen Teil Zyperns finanziell helfen. Diese Gelder werden bislang von den griechischen Zyprern blockiert. Rehn erwartet dazu eine schnelle Einigung innerhalb der EU.

Als besonders schwierige Bereiche für die Verhandlungen nannte der Erweiterungskommissar die Frauenrechte, die Meinungs- und die Religionsfreiheit sowie die Rechte der Gewerkschaften. Der zum 9. November angekündigte EU-Fortschrittsbericht wird nach Rehns Worten „Defizite“ auflisten. Bisher habe die Türkei die Kopenhagener Kriterien für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit „hinreichend“ erfüllt – bis zu einem Beitritt sei eine „vollständige“ Erfüllung nötig.

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