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Politik: Unternehmen Patriotismus

FIRMEN WANDERN AB

Von StephanAndreas Casdorff

Patriotismus – das Wort klingt so schwer. Schon gar für einen Deutschen. Ein deutscher Patriot? Wer das sagt, dem wird sofort vorgehalten, es knattere die deutsche Fahne im Wind. Es sei denn, er hieße Johannes Rau. Wie sagte der vor bald fünf Jahren, zu Beginn seiner Amtszeit als Bundespräsident: Nie Nationalist, immer Patriot wolle er sein. Richtig in der Gesellschaft durchgedrungen ist Rau mit dieser sehr programmatischen Aussage nicht, einem Bekenntnis der Hinwendung zu den Gleichgesinnten. Achselzuckend wurde sie hingenommen.

Nun, fast genau zum Ende der Amtszeit Raus, hebt die Debatte darüber an, was denn Patriotismus in globalisierten Zeiten sein könne. Oder anders: Was er wert sei. Dieser Ansatz sollte endlich zum Diskurs führen. Von Gerhard Schröder über Franz Müntefering, wieder zwei Sozialdemokraten im Übrigen, bis zu Ludwig Georg Braun, dem Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) – die Äußerungen haben gezeigt, dass es darum geht, mal vom Abstrakten ins Konkrete zu gelangen: Wann ist ein Unternehmer patriotisch?

Vaterlandsliebe mit praktischer Ausprägung also. Zunächst einmal: Zu Beginn des neuen Jahrhunderts mit seinem beschleunigten Wandel stellt sich die Frage, ob wir ganz ohne Patriotismus auskommen. Wie Wolfgang Schäuble schrieb: Eine Ordnung von Freiheit, Pluralismus und Toleranz ist nicht voraussetzungslos. Das heißt, sie braucht als Grundlage Gemeinsamkeit, wozu eine Übereinstimmung von Grundwerten und im Menschenbild gehört. Und es braucht das Bewusstsein, zusammenzugehören und zusammen leben zu wollen – die Nation als tägliches Plebiszit, wie Ernest Renan sie definiert hat.

Dieses tägliche Plebiszit gilt für alle, auch für Unternehmer. Was Deutschland garantiert, ist eine Form von sozialer Sicherheit auch für sie, die einzigartig ist in der Welt. Edmund Stoiber hat ja schon einmal drastisch darauf hingewiesen, dass Niedriglohnländer beispielsweise in Asien als Standort nicht nur segensreich sind – welcher Demokrat fühlt sich dort ohne Einschränkung zu Hause und sicher? Es ist auf diese Formel zu bringen: Markt ohne Rechtsstaatlichkeit ist Anarchie und führt zu Armut. In Deutschland funktionieren Staat und Markt. Worum es hier geht, ist die Frage, wie viel Staat es braucht, bis er auch die Unternehmer dazu bringt, sich von ihm abzuwenden, auszuwandern. Ein Staatsanteil von 50 Prozent ist kein Mittelweg – das ist der unpatriotische Staat. Deswegen handeln die patriotisch, die das Steuersystem verändern, sprich: die Abgaben verringern. Das kommt, wie in der Vergangenheit geschehen, auch den Unternehmen entgegen.

Andererseits sind die Unternehmer aufgerufen, ihre Loyalität zum Ausdruck zu bringen. Immerhin gibt es, im Grundgesetz festgelegt, sowohl das Sozialstaatsgebot als auch den Satz, dass Eigentum verpflichte. Damit wird jeder Einzelne aufgerufen zum „esprit général“, von dem Montesquieu im Blick auf die Nation sprach. Da ist es zum Beispiel unpatriotisch, wenn Firmen in Deutschland Forschungsgelder, Standortsubventionen und Steuererleichterungen abgreifen, um wenig später unter Hinweis auf ungünstige Bedingungen die Produktion ins Ausland zu verlagern. Patriotisch wiederum kann sein, auf dem Umweg über Standortsicherung im Ausland den heimatlichen Betrieb abzusichern. So gesehen kann jede deutsche Investition in Osteuropa nicht nur dort den Wohlstand erhöhen, sondern den ganzen Kontinent stabilisieren. Politisch und als Markt.

Kurz und gut, Patriotismus ist nicht so schwer. Er lässt sich so erklären: Ich muss auch für mein Land etwas tun.

Das hat übrigens ein echter Unternehmer gesagt.

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