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Politik: Unterschiedliche Vorstellungen zur Stellung von Kassenärzten belasten Koalition

Zwischen SPD und Grünen bahnt sich nach Informationen des Tagesspiegels ein Konflikt um die geplante Gesundheitsreform an. Dabei streiten die Koalitionsparteien um zwei Teile der Reform: die integrierte Versorgung von ambulanter und stationärer Behandlung sowie Modellvorhaben, mit denen neue Therapien erprobt werden sollen.

Zwischen SPD und Grünen bahnt sich nach Informationen des Tagesspiegels ein Konflikt um die geplante Gesundheitsreform an. Dabei streiten die Koalitionsparteien um zwei Teile der Reform: die integrierte Versorgung von ambulanter und stationärer Behandlung sowie Modellvorhaben, mit denen neue Therapien erprobt werden sollen. Am Montagabend wollten Gesundheitspolitiker der Koalition auf einem Treffen in Berlin den Streit schlichten.

Mit ihren Plänen will Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) die medizinische Versorgung verbessern und verbilligen. So sollen etwa Ärzte leichter in Netzwerken zusammenarbeiten oder beispielsweise neue Verfahren bei der Diabetes-Behandlung ausprobieren können. Für solche Vorhaben - so sieht es die Reform vor - sollen die Kassen direkt mit einzelnen Kassenärzten Verträge abschließen können. Bislang ist das nicht möglich, da die Kassen solche Verträge nur mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) - den Monopolvertretern der Kassenärzte - aushandeln können. Die KV haben dieses Monopol seinerzeit erhalten, weil sie dafür die medinzische Versorgung flächendeckend sicherstellen müssen. Beispielsweise müssen sie einen täglichen Notdienst einrichten.

Die Vereinigungen glauben nun, dass sie durch die Reformpläne ausgebremst werden und den Sicherstellungsauftrag nicht mehr erfüllen könnten, heißt es in den Verbänden. Junge und innovative Mediziner könnten in integrierte Versorgungsformen oder Modellprojekte wechseln, weil sie dort besser bezahlt würden. Die Kassen können diese Reformvorhaben besonders entlohnen. "Wir behalten dann nur die alten unflexiblen Ärzte", räumen selbst KV-Funktionäre unter der Hand ein.

In der SPD-Fraktion sind die Bedenken auf fruchtbaren Boden gefallen. So wollen die Gesundheitspolitiker um den Sozialexperten Rudolf Dreßler und die Vertreter der SPD-Länder den Kassenärztlichen Vereinigungen mehr Rechte einräumen. Sie sollen künftig die Verträge zwischen einzelnen Ärzten und Kassen mitunterzeichnen. Dagegen sträuben sich die Grünen. In einem Zeitungsinterview sagte die grüne Gesundheitsexpertin Katrin Göring-Eckardt: "Das ist der innovativste Teil unserer Reform." Nur dadurch könnten die Strukturen im Gesundheitswesen aufgebrochen werden. Im Gesundheitsministerium verwies man auf ein Treffen der Ministerin mit Vertretern der Koalitionsfraktion und der SPD-Länder am Montagabend in Berlin. Dort soll eine gemeinsame Position zwischen SPD, Grünen und den Ländern abgestimmt werden. Die Zeit drängt. Anfang November will der Bundestag in dritter Lesung die Gesundheitsreform verabschieden.

Die Kassen halten die Argumentation der Kassenärztlichen Vereinigungen ohnehin für vorgeschoben. "Der Sicherstellungs-Auftrag ist doch ein Totschlag-Argument", sagte Udo Barske vom AOK-Bundesverband. Damit könne man jede Reform im Keim ersticken. Seiner Ansicht nach würden nicht viele Mediziner in die neuen Versorgungsformen wechseln: "Das werden anfänglich höchstens ein, zwei Prozent sein." Dagegen könnten die Vereinigungen, wenn sie die Verträge mitunterzeichnen, neue Vorhaben blockieren. Noch drastischer formuliert es ein Insider der Gesundheitsbranche: "Wenn die KV beteiligt werden, ist die Idee der integrierten Versorgung tot."

Die gesetzlichen Krankenkassen haben unterdessen angekündigt, trotz ihrer Milliardenverluste die Beiträge im laufenden Jahr stabil halten zu wollen. Der größte Teil des 3,3-Milliarden-Defizits aus den ersten beiden Quartalen solle durch Sondereinnahmen ausgeglichen werden. Vor allem die erstmals voll anfallenden Versicherungsbeiträge aus 630-Mark-Jobs sollen neben Zusatzeinnahmen aus Weihnachtsgeldern den Verlustabbau garantieren. Die Barmer Ersatzkasse will 666 Millionen Mark Verlust auf 200 Millionen abbauen und bis ins nächste Jahr den Beitrag bei 13,9 Prozent halten. "Die Verluste werden aus dem vorhandenen betrieblichen Vermögen gedeckt", hieß es. Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) in Westen erwarten einen ausgeglichenen Jahresabschluss. Im Osten könnten dagegen, ausgenommen in Sachsen, Verluste eingefahren werden, sagte ein Sprecher. Die Hanseatische Ersatzkasse und die Hamburg-Münchner wiesen Spekulationen zurück, wonach ihnen ohne Zuschüsse die Schließung drohe.

Andreas Hoffmann

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