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Urabstimmung: Streik im öffentlichen Dienst weitet sich aus

Die Mitglieder der Gewerkschaft Verdi haben mit einer Mehrheit von 94,5 Prozent für eine Ausweitung der Streiks im öffentlichen Dienst auf zahlreiche Bundesländer gestimmt.

Berlin - Der Arbeitskampf im öffentlichen Dienst greift nach Urabstimmungen auf zahlreiche Bundesländer über und betrifft von Montag an immer mehr Betriebe und Dienststellen. Mit dem am 6. Februar in Kommunen von Baden-Württemberg begonnen Ausstand - dem ersten großen Streik seit 1992 - wollen die Gewerkschaften längere Arbeitszeiten abwehren und die Länder zur Übernahme des neuen, mit den Kommunen und dem Bund geschlossenen Tarifvertrag zwingen.

Bei einer Urabstimmung unter den Mitgliedern der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi votierten 94,5 Prozent für einen Ausstand. «Das Ergebnis ist sehr klar, sehr eindeutig für Streik», sagte der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske am Freitag in Berlin. Die Gewerkschaft hatte 22.000 Mitglieder in Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Bayern und dem Saarland befragt. Bei den Urabstimmungen im Kommunalbereich wurden 40.000 befragt.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) holten sich in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ein ähnlich hohes Votum für einen Streik. Urabstimmungen in weiteren Bundesländern folgen nächste Woche. Die Tarifunion des Beamtenbundes (dbb) beteiligt sich ebenfalls in sieben Bundesländern an dem Arbeitskampf. In Baden-Württemberg und im Saarland gingen die Streiks am Freitag weiter. In den Kommunen Niedersachsens wird kommende Woche ebenfalls gestreikt.

Die Stimmung im öffentlichen Dienst ist nach Aussage der Gewerkschaftsvorsitzenden schlecht. Angesichts längerer Arbeitszeiten sowie der Abstriche und Streichungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld dürfe sich niemand wundern, wenn den Beschäftigten der Kragen platze. «Es reicht», sagte Bsirske. Der dbb protestiert mit einer Anzeigenkampagne in Zeitungen gegen weitere Einschränkungen.

Angesichts der geplanten Ausweitung der Streiks forderte der rheinland-pfälzische Finanzminister Gernot Mittler (SPD) eine rasche Rückkehr der Tarifparteien an den Verhandlungstisch. Das für den 20. Februar angesetzte Spitzengespräch zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern müsse vorgezogen werden.

Der Streik auf Landesebene wird laut Bsirske Uni-Kliniken, Straßenmeistereien und weitere ausgewählte Betriebe betreffen. Bei den Kommunen werden weiterhin die Müllabfuhr, Kindertagesstätten, Sozialdienste und Krankenhäuser bestreikt. Bei der Polizei sollen die Bereiche Informations- und Kriminaltechnik sowie die Verkehrsüberwachung einbezogen werden. Dort arbeiten überwiegend Angestellte und keine mit Streikverbot belegten Beamten. Die innere Sicherheit sei nicht in Gefahr, werde aber beeinträchtigt, sagte GdP-Chef Konrad Freiberg.

Im Bildungsbereich sollen Kindertagesstätten und jene Schulen mit einem hohen Anteil von Angestellten bestreikt werden. Der GEW-Vorsitzende Ulrich Thöne rechnet damit, dass der Streik auch bei den Beamten auf Verständnis stößt und diese nicht die Arbeit der Angestellten übernehmen werden.

Zurückhaltend bis ablehnend äußerte sich Bsirske zum Vorschlag des baden-württembergischen Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU), als Ausgleich für längere Arbeitszeiten einen Lohnzuschlag zu zahlen. Im Kern gehe die Auseinandersetzung darum, einen Arbeitsplatzabbau durch eine Verlängerung der Arbeitszeit zu verhindern.

Die kommunalen Arbeitgeber in Baden-Württemberg, Hamburg und Niedersachsen wollen eine Öffnungsklausel im neuen Tarifvertrag nutzen, der eine Verlängerung der im Westen gültigen Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 40 Stunden im Einvernehmen mit den Gewerkschaften erlaubt. «Dieses Einvernehmen gibt es nicht», sagte Bsirske.

Den Ländern warf der Verdi-Chef vor, das Diktat an die Stelle eines Interessenausgleichs zu setzen und einseitig Fakten zu schaffen. Bei Neueinstellungen setzten die Länder längere Arbeitszeiten durch und kürzten Urlaubs- und Weihnachtsgeld. In den Ländern gelten für die bislang Beschäftigten der alte Bundesangestelltentarif und der Tarif für die Arbeiter fort. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) hat es bislang abgelehnt, dem mit Bund und Kommunen geschlossenen Tarifvertrag beizutreten, der ein neues, an Leistung orientiertes Bezahlsystem einführt. (tso/dpa)

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