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Meistens sind bei Militärberichten Geheimhaltungsfragen zu klären - diesmal geht es ums Urheberrecht. Der EuGH muss darüber entscheiden.

© dpa

Urheberrecht: Der Beamte als Schöpfer

Das Verteidigungsministerium klagt, weil eine Zeitung einen nicht-geheimen Militärbericht online gestellt hat. Begründung: Sie seien die Urheber des Papiers. Das ist eine Ausrede. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Die Beats der Ex-Avantgardistenband Kraftwerk und die Lageberichte zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan haben wenig miteinander zu tun, teilen aber ein Schicksal. Sie lagen als Fälle dem Bundesgerichtshof (BGH) vor, der sie an die Kollegen in Luxemburg überwiesen hat. Nun wird sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) in ihrer Sache grundlegende Gedanken zum Urheberrecht machen müssen.

Ist Sampling Diebstahl oder Kunst? Und welche Schöpfungshöhe erreicht die amtliche Soldaten-Einsatzanalyse? Es geht in beiden Fällen um Original und Zitate; der eine ist bedeutend für die Wirtschaft, der andere für Politik und Demokratie. Und in beiden wäre zu wünschen, dass die Richter es nicht übertreiben mit dem Urheberschutz.

Die Klage des Kraftwerk-Mitbegründers Ralf Hütter gegen den Produzenten Moses Pelham ist ein Endlosschlager der deutschen Justiz, die sich nicht darüber einig wird, inwieweit Künstler kopieren dürfen. Fest steht, dass Tonfolgen auch außerhalb des Originals ein Leben führen und führen müssen. Kopieren ist nicht immer Kunst, aber sie kann es werden, zumal in der digitalen Kopierkunstwelt. Möglich, dass man nach den Antworten aus Luxemburg nicht einmal unbedingt klüger ist. Das Ganze hat eine stark subjektive Seite.

Ein Militärbericht wird online gestellt, nun gibt es Ärger

Über den zweiten Streit wird man das kaum sagen können. Die „Westfälische Allgemeine Zeitung“ hatte in ihrer Online-Ausgabe tausende Seiten der ihr zugespielten Militärberichte veröffentlicht. Sehr zum Ärger des Verteidigungsministeriums, das dagegen – bisher erfolgreich – geklagt hat. Strafbar war die Dokumentation nicht, dazu ist daran zu wenig geheim. So kam man auf den Kniff mit dem Urheberrecht. Aus Beamten wurden Schöpfer, aus ihren Berichten ein Werk.

Es mag, auch aus journalistischer Sicht, nicht erforderlich gewesen sein, alles ins Netz zu stellen. Doch dürfte klar sein, dass die verletzten Schöpfergefühle nur ein Vorwand sind, um Informationen zu unterdrücken. Das in Anspruch genommene Recht soll Urhebern ermöglichen, mit ihrem Werk Kasse zu machen. Bei solchen Regierungspublikationen scheidet die Absicht aus. Macht das Beispiel Schule und segnet der EuGH es ab, würde die Veröffentlichung von Amtspapieren für die Presse zum Spiel mit dem Risiko. Im Sinne von Kontrolle und Transparenz kann das nicht sein.

Besonders ärgerlich an dem Fall ist, dass die Zeitung zuvor versucht hat, auf offiziellem Weg an die Berichte zu gelangen, mit einem Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Abgelehnt, wegen Sicherheitsbedenken. Das widerspricht dem Umgang mit den Papieren, die als „Unterrichtung des Parlaments“ regelmäßig auch an Abgeordnete gehen. Der EuGH sollte die Argumente des Ministeriums daher als das bewerten, was sie sind: keine Schöpfung, sondern Ausreden.

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