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Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer wollte Volksnähe - auf Kosten des Verfassungsrechts.

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Urteil des Verfassungsgerichtshofs: Das Volk muss gehört werden - aber wann?

Das Urteil zur bayerischen Volksbefragung mahnt zur Skepsis in Zeiten eruptiver politischer Willensbildung. Ein Kommentar.

So schnell fliegt sie einem um die Ohren, die Sache mit dem Volk. In der Alternativlos-Zeit der Euro-Krise erfand Bayern ein Treibmittel zur Gärung des Volkswillens, die Volksbefragung. Unverbindlich sollten die Massen sich äußern dürfen, wenn die Regierung es will. Eine neue Schaltstelle zwischen Macht und Unterworfenen, neben Wahlen und bestehenden Elementen direkter Demokratie in Bayern. Nur war ihre Einrichtung verfassungswidrig, so das Urteil des zuständigen Gerichtshofs vom Montag. Die Skepsis der Richter ist begründet: Unverbindliche Bürgervoten sind eine Illusion im demokratischen Verfassungsstaat. Jede förmliche Abstimmung erzeugt Druck auf und Erwartungen an das politische Personal. Solche Eingriffe in das System bedürfen einer Grundlage im System selbst. Bevor nun überlegt wird, die Landesverfassung aufzubohren, gilt es, sich mit jüngerer Empirie zu befassen. Haben wir derzeit einen Mangel an artikuliertem Volkswillen – oder eher einen Überschuss? Muss die Politik näher ans Volk? Oder das Volk näher an die Politik? Es kann sinnvoll sein, den Wählern zwischen den Wahlen mehr Stimme zu geben, bevor ein wütender Wille alles hinwegfegt. Aber es kann auch sinnvoll sein, dies zu unterlassen. Alte Debatten sind neu zu führen, nicht nur in Bayern.

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