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Der ehemalige Bürgermeister der nordruandischen Stadt Muvumba, Onesphore Rwabukombe, ist zu 14 Jahren Haft wegen Beihilfe zum Völkermord in Ruanda verurteilt worden. Seine Anwältinnen, Kersten Woweries (links) und Natalie von Wistinghausen hatten auf Freispruch plädiert.

© epd

Update

Urteil im Frankfurter Völkermordprozess: 14 Jahre Haft wegen Beihilfe zum Völkermord in Ruanda

Zum ersten Mal ist ein Völkermordprozess über Taten im Ausland in Deutschland zu Ende geführt worden. Frankfurter Gericht verurteilt ehemaligen Bürgermeister nach 120 Verhandlungstagen. Ruandas Botschafterin sieht in dem Urteil "ein Stück Gerechtigkeit".

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat am Dienstag den ehemaligen Bürgermeister der nordruandischen Stadt Muvumba Onesphore Rwabukombe zu 14 Jahren Haft wegen Beihilfe zum Völkermord verurteilt (Aktenzeichen 5-3 StE 4/10 - 4 -3/10). Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der Angeklagte am 11. April 1994 beim „Kirchenmassaker von Kiziguro“ zu denjenigen gehörte, die den Befehl zum Töten von mindestens 450 Tutsis gegeben haben. Allerdings sei eine Verurteilung wegen Völkermords nicht möglich gewesen, „weil das Gericht nicht mit ausreichender Sicherheit feststellen konnte, dass dem Angeklagten beim Massaker eine derart wesentliche Funktion zukam“, dass ihm allein die Verantwortung dafür angelastet werden könnte.
Natalie von Wistinghausen, eine seiner zwei Verteidigerinnen, sagte dem Tagesspiegel, dass „wir das Urteil auf jeden Fall in der Revision überprüfen lassen“. Sie hatte auf Freispruch plädiert, weil das Verfahren ausschließlich auf Zeugenbeweise angewiesen gewesen sei. Wistinghausen hätte einen Freispruch vor allem deshalb für richtig gehalten, weil acht Opferzeugen bereits vor Jahren vom Internationalen Ruanda-Tribunal im tansanischen Arusha zu diesem Massaker befragt worden seien. „Dabei tauchte der Name unseres Mandaten nie auf“, sagt Wistinghausen. Zudem wies sie darauf hin, dass im Ruanda von heute ein „offizielles Narrativ über den Völkermord“ gepflegt, von einer „Kollektivschuld der Hutus“ ausgegangen werde und eine Beeinflussung von Zeugen durch die Regierung nicht ausgeschlossen sei. Die These des Gerichts, dass all das im Frankfurter Verfahren keine erkennbare Rolle gespielt habe, „halte ich für gewagt“. Wistinghausen gehörte als juristische Assistentin zum Verteidigungsteam, das den ehemaligen Handelsminister Ruandas vor dem Arusha-Tribunal vertreten hat.
Die ruandische Botschafterin in Berlin, Christine Nkulikiyinka, sagte dem Tagesspiegel, es sei wichtig, dass die Überlebenden des Massakers von Kiziguro durch das Urteil „ein Stück Gerechtigkeit erfahren, nachdem sie damals von der ganzen Welt allein gelassen worden sind“. Sie wertet das Frankfurter Verfahren auch als Zeichen dafür, dass mögliche Täter, falls sie in Deutschland gefunden werden sollten, „nicht unbehelligt bleiben werden“. Nkulikiyinka hat den Prozess selbst verfolgt und weiß, wie schwer er zu führen war, weil die Taten lange zurückliegen, weit entfernt von Frankfurt, und es auch große „interkulturelle Unterschiede“ gebe. Sie sei den Behörden und dem Gericht aber „dankbar, dass sie sich dieser schweren Aufgabe angenommen haben“.
Für den Göttinger Strafrechtsprofessor Kai Ambos klang die Urteilsbegründung dagegen eher nach einer Bitte des Gerichts, „solche Verfahren doch bitte in Zukunft nicht mehr zu führen“. Er erkennt in dem Urteil eher eine allgemeine Tendenz „gegen das Weltrechtsprinzip“.

Der Marburger Strafrechtsprofessor Christoph Safferling sagt jedoch: „Das Urteil ist wichtig für das Völkerrecht insgesamt.“ Safferling leitet das Marburger Forschungszentrum zur Beobachtung von Kriegsverbrecherprozessen. Der Prozess dauerte mehr als drei Jahre, 118 Zeugen und vier Sachverständige sind gehört worden, alle Täter und Opfer stammen aus Ruanda. Das Gericht war deshalb auf die Kooperation insbesondere der ruandischen Regierung angewiesen. „Daraus ergibt sich ein schwer zu durchschauendes Bild“, sagt Safferling, der den Prozess mit einer Gruppe von Studenten durchgehend begleitet hat. Er selbst sei angesichts der Unsicherheit „ganz froh, dass ich kein Richter bin“.

Im Verlauf des Prozesses, der im Januar 2011 eröffnet worden war, hatte das Gericht das Verfahren wegen zweier weiterer Massaker, für die Rwabukombe zunächst verantwortlich gemacht worden war, eingestellt. 40 Zeugen waren aus Ruanda angereist, weitere 30 Zeugen wurden mittels Videoschaltung in einem Gericht in der ruandischen Hauptstadt Kigalli vernommen. Das Verfahren ist in Deutschland geführt worden, weil der Angeklagte mit seiner Frau und nunmehr drei Kindern 2002 als Asylbewerber nach Hessen gekommen war und schwere Menschenrechtsverbrechen nach dem Weltstaatsprinzip überall verhandelt werden dürfen – und sollen.

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