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Politik: US-Ärztevereinigung erhebt Vorwürfe gegen Moskau

Nach Fernsehberichten über Kriegsgräuel russischer Soldaten in Tschetschenien hat eine Menschenrechtsorganisation am Wochenende weitere Vorwürfe gegen Moskau erhoben. Befragungen von tschetschenischen Flüchtlingen hätten Beweise für Folter und Hinrichtungen im Lager Tschernokosowo geliefert, teilte die amerikanische Vereinigung Ärzte für Menschenrechte mit.

Nach Fernsehberichten über Kriegsgräuel russischer Soldaten in Tschetschenien hat eine Menschenrechtsorganisation am Wochenende weitere Vorwürfe gegen Moskau erhoben. Befragungen von tschetschenischen Flüchtlingen hätten Beweise für Folter und Hinrichtungen im Lager Tschernokosowo geliefert, teilte die amerikanische Vereinigung Ärzte für Menschenrechte mit. Moskau wies die Anschuldigungen zurück.

Die US-Ärztevereinigung teilte mit, für ihren Bericht 326 Vertriebene in den Flüchtlingslagern in Inguschetien befragt und untersucht zu haben. Die Hälfte von ihnen habe über Erschießungen von Zivilisten berichtet. In mindestens neun Fällen sei eindeutig erwiesen, dass gefoltert worden sei, sagte der für den Bericht verantwortliche Arzt Doug Ford.

Das russische Militär rechnet auch nach einem Fall der Rebellenhochburgen im Süden Tschetscheniens mit weiterem Widerstand der Aufständischen. Die russische Nachrichtenagentur Itar-Tass zitierte am Sonntag den Stellvertretenden Kommandeur der russischen Truppen im Kaukasus, Generaloberst Gennadi Troschew, mit den Worten, die Militäroperation sei bereits dann abgeschlossen, wenn die großen Rebellen-Bastionen gefallen seien. Der Widerstand sei damit jedoch voraussichtlich nicht gebrochen. Viele Aufständische hielten sich in den von Russland eroberten Gebieten versteckt. Sie bereiteten sich darauf vor, blitzartig zu attackieren und sich dann wieder zurückzuziehen.

Bei einer Razzia in dem tschetschenischen Dorf Sergschen-Jurt, südöstlich der Hauptstadt Grosny, habe die Polizei einen Panzer, zwei gepanzerte Fahrzeuge und Munition beschlagnahmt, erklärte Troschew weiter. Mit der Guerilla-Taktik des blitzartigen Angriffs und anschließenden Rückzugs hatten die Rebellen bereits den Rückzug der russischen Truppen im ersten Tschetschenien-Krieg (1994 - 1996) erreicht.

Im Zuge des Anfang Oktober gestarteten neuen russischen Feldzugs in Tschetschenien haben die russischen Truppen das gesamte Gebiet bis auf die unwegsame südliche Bergregion zurückerobert. Dort halten sich noch Tausende Rebellen verschanzt. Nach Angaben aus Militärkreisen rücken die russischen Truppen auf die strategisch wichtige Argun-Schlucht vor und haben dort bereits das Dorf Schatoi eingekesselt. In der Rebellenhochburg halten sich bis zu 2000 Kämpfer verschanzt.

Der Menschenrechtsbeauftragte des Europarats, Alvaro Gil Robles, reiste am Sonntag nach Tschetschenien ab, um Foltervorwürfe gegen Moskau zu überprüfen. Er hoffe, bei seinem geplanten Besuch des Gefangenenlagers Tschernokosowo mit den Insassen sprechen zu können, sagte Gil-Robles am Sonntag vor seinem Abflug aus Moskau in die inguschetische Grenzstadt Nasran. Gil-Robles wollte auch die tschetschenische Hauptstadt Grosny besuchen. Der russische Menschenrechtsbeauftragte Wladimir Kalamanow, der Gil-Robles begleitete, widersprach erneut internationalen Medienberichten über Vergewaltigungen und Folter durch russische Soldaten in Tschernokosowo.

Journalist Babizki in guter Verfassung

Das russische Fernsehen strahlte unterdessen Filmaufnahmen von einem Verhör mit dem Journalisten Andrej Babizki aus, der drei Wochen lang als verschwunden galt. In dem Gespräch mit einem russischen Offizier in Machatschkala bestätigte Babizki, Anfang Februar seiner Übergabe an tschetschenische Rebellen im Austausch gegen zwei russische Kriegsgefangene zugestimmt zu haben. Der Journalist war am Freitag nach Angaben der russischen Behörden mit einem gefälschten Reisepass in Dagestan verhaftet worden.

Babizki machte in dem vom staatlichen Fernsehsender RTR ausgestrahlten Beitrag einen erschöpften Eindruck, sprach aber deutlich. Sein Kollege Oleg Kussow sagte, Babizki sei gesund und befinde sich in guter Verfassung. Er werde in einem kleinen Kellerraum im Innenministerium in Machatschkala festgehalten, sei jedoch nicht misshandelt oder unter Druck gesetzt worden, sagte Kussow.

Als Korrespondent des US-Senders Radio Liberty hatte Babizki mit seiner Berichterstattung über den Tschetschenienkrieg die russische Führung verärgert und war im Januar verhaftet worden, weil er nach Behördenangaben keine Akkreditierung für das Kriegsgebiet besaß. Russischen Behörden zufolge war er am 3. Februar an tschetschenische Kämpfer übergeben worden. Nachdem es wochenlang kein Lebenszeichen von ihm gab, befürchteten Kollegen Babizkis Tod. Am Freitag wurde er in Machatschkala verhaftet, weil er einen gefälschten aserbaidschanischen Pass bei sich trug, wie der dagestanische Innenminister Adilgerej Magomedtagirow am Wochenende mitteilte. Laut Medienberichten wird Babizki Urkundenfälschung vorgeworfen.

In den Fernsehaufnahmen sagte Babizki, dass ihn ein russischer Beamter in dem Lager Tschernokosowo besucht und den Austausch vorgeschlagen habe. Er habe zugestimmt, sich gegen zwei russische Kriegsgefangene an den tschetschenischen Kommandeur Turpal Atgerijew austauschen zu lassen. Man habe ihm versprochen, dass Atgerijew ihn dann freilassen werde. An dieser Stelle endete das Band. Nach Angaben Kussows wurde Babizki dann aber an andere tschetschenische Kämpfer übergeben, die er nicht gekannt habe. Als er protestieren wollte, sei es bereits zu spät gewesen.

Babizkis Frau machte sich auf den Weg nach Machatschkala, um ihren Mann zu besuchen. Seine Festnahme hatte zu internationaler Besorgnis geführt.

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