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Maroder Staatshaushalt: Die US-Regierung listet scharfe Einschnitte auf.

© dpa

US-Haushaltskürzungen: Flugverspätungen, Schulausfälle und Zwangsurlaub beim Militär

Den USA drohen zum 1. März automatische Haushaltskürzungen. Die Administration von US-Präsident Barack Obama hat offensiv kommuniziert, wo gekürzt werden würde. Der so genannte "Sequester" zeigt einige Überraschungen.

Zu Jahreswechsel hatten sich US-Präsident Barack Obama und der US-Kongress noch auf kurzfristige Maßnahmen einigen können: die "Fiskalklippe" wurde umschifft und automatische Etat-Kürzungen in Milliardenhöhe vermieden. Am 1. März nun läuft die nächste Frist aus. Aber Obama und die Demokraten und Republikaner im Kongress stehen noch immer ohne eine Lösung zur Reduzierung des US-Haushaltsdefizits da. Deshalb werden jetzt höchstwahrscheinlich jene automatischen Ausgabenkürzungen in Kraft treten, die bei den Verhandlungen zur Schuldenobergrenze Mitte 2011 vereinbart worden waren. Allein im laufenden Haushaltsjahr wären das insgesamt 85,4 Milliarden Dollar, die sich zur Hälfte auf das Militärbudget und auf den zivilen Bereich verteilen würden. Und während US-Notenbankenchef Ben Bernanke vor den Folgen des so genannten "Sequester" auf die nationale Wirtschaft und die Konjunktur warnt, bereiten sich die US-Gemeinden und Bürger auf ganz konkrete Einschnitte vor. Das Weiße Haus hat, nicht zuletzt um mit dieser Drohkulisse den Druck auf die Republikaner zu erhöhen, die bevorstehenden Kürzungen offensiv kommuniziert. In einem 394 Seiten starken Kompendium ist Posten für Posten aufgelistet, welche Kürzungen anfallen würden. Außerdem gibt es eine Übersicht mit den Auswirkungen auf jeden Bundesstaat - und auch Mitglieder des Kabinetts von Präsident Obama haben ihre jeweilige Perspektive addiert.

Flugzeugverspätungen: Aufgrund der Kürzungen im Verkehrsbereich müssen nach Angaben von Obama und Verkehrsminister Ray LaHood Kontrolltürme auf kleineren Flughäfen zeitweise geschlossen werden, auf großen Flughäfen müsse man sich auf eine langsamere Abwicklung gefasst machen. Die Mehrheit der 47 000 Angestellten der Luftverkehrskontrolle müsste für mindestens je einen Tag je Lohnperiode in den Zwangsurlaub geschickt werden, eine Art Kurzarbeit wäre die Antwort auf Kürzungen in Höhe von 600 Millionen Dollar in der Luftkontrollverwaltung. In Hinblick auf die Sicherheit könnten deshalb auch weniger Flüge abgefertigt werden. Die Administration rechnet mit 90-minütigen Verspätungen auf großen Flughäfen wie New York, Chicago oder San Francisco. Die Verspätungen hätten dann natürlich auch ihre Auswirkungen auf den restlichen Flugverkehr des Landes. LaHood rechnet damit, dass im Fall des Falles Fluglinien dann Flugpläne verändern und Flüge ganz absagen.

Schulausfall: Vielleicht nicht jeder Schüler würde es bedauern, für Eltern schulpflichtiger Kinder allerdings wäre der Ausfall von Tausenden von Lehrern ein großes Problem. Insbesondere berufstätige Eltern stünden vor einem gewaltigen Betreuungsproblem. Die Zahlen, wie viel Lehrerstellen der Kürzungen wegen gestrichen werden müssten, variieren von Bundesstaat zu Bundesstaat. Für New York rechnet das Weiße Haus beispielsweise mit einem Volumen von 42,7 Millionen Dollar oder umgerechnet 590 Lehrer und Schulhelfer. Kalifornien würde etwa 87,6 Millionen Dollar für Schulen verlieren und 1210 Lehrer. Außerdem müssten 320 Schulen auf staatliche Unterstützung verzichten.

Kinderbetreuung: An den Kürzungen im Gesundheits- und Sozialwesen hängen auch Gelder für die Kinderbetreuung. 30 000 Kinder aus ärmeren Familien würden den Zuschuss zur Kinderbetreuung und damit den Zugang zu Einrichtungen verlieren.

Gesundheitsvorsorgeprogramme: Auch die Impfung gegen Masern, Mumps, Keuchhusten oder Tetanus hängen an staatlichen Zuschüssen. Das Weiße Haus listet auch hier Staat für Staat auf, wie viele Kinder nicht in den Genuss der Impfungen kämen. Die Krebsvorsorge taucht als weiterer Streichpunkt in den Listen auf.

Militär: Die Hälfte der Kürzungen entfällt auf das Militär, das sind 42,7 Milliarden Dollar. Barack Obama hat noch am Dienstag vor Angestellten einer Schiffswerft im Bundesstaat Virginia, die Flugzeugträger und U-Boote für die Marine baut, vor den Kürzungen gewarnt und sie verurteilt. Werftarbeiter müssten beurlaubt, Flugzeugträger könnten unter dem Sequester nicht repariert werden, der geplante Bau von neuen Flugzeugträgern oder von U-Booten müsste verschoben werden. Ohnehin verteilen sich nach der Ansicht von US-Experten die Auswirkungen der Kürzungen regional sehr unterschiedlich. Ländliche Milieus, meist Republikaner-verbunden, dürften demnach weniger betroffen sein als städtisch-demokratische Gegenden. Allerdings fürchtet eine spezielle Art von Gemeinden den Sequester mit am meisten: Orte, deren regionale Wirtschaft stark vom Militär oder von militärischen Aufträgen abhängig sind. Für Virginia zum Beispiel rechnet das Verteidigungsministerium mit 90 000 zivilen Angestellten, die in einen zeitweisen Zwangsurlaub geschickt werden müssten. In Kalifornien rechnet das Ministerium mit 64 000 Zivilangestellten auf Kurzarbeit. Im südkalifornischen San Diego müsste die Überholung von fünf Flugzeugträgern verschoben werden. Zigtausende Militärangestellte, die mit Lohnkürzungen zurechtkommen müssen, bedeuten aber natürlich auch Zigtausende in ihrer Kaufkraft geschwächten Konsumenten. Die Kürzungen, von denen Sicherheitsnotwendigkeiten ausgenommen sind, beträfen aber auch den Bereich der militärischen Ausbildung. Das Ministerium verweist etwa auf Auswirkungen auf die Truppenbereitschaft für Afghanistan.

Sicherheit: Auch wenn die nationale Sicherheit nicht vom Sequester beeinträchtigt werden soll, Heimatschutzministerin Janet Napolitano warnt vor den indirekten Auswirkungen auf die Sicherheit durch die Kürzungen in ihrem Bereich. 5000 weniger Beamte stünden im Fall des Falles für die Grenzkontrollen zur Verfügung. Illegale Einwanderung insbesondere aus Mexiko wäre dadurch schwerer zu kontrollieren. Außerdem müssten sich Reisende auf stundenlange Wartezeiten bei der Zollkontrolle einstellen. Beim Zoll würden die Gelder für 2750 Beamte wegfallen. An den meist frequentierten Einreise-Flughäfen wie New York, Chicago oder Los Angeles etwa könnten die Wartezeiten deshalb um 30 bis 50 Prozent höher liegen. Auch die Kapazitäten der Zollkontrolle an Häfen würden eingeschränkt, Reisende und Importeure müssten deshalb ebenfalls mit langen Wartezeiten rechnen. Container-Inspektionen könnten um mehrere Tage verschoben werden müssen. Selbst FBI-Agenten könnten weniger zum Einsatz kommen. Die Kürzungen entsprächen beim FBI etwa 1000 Stellen.

Immigration: Schon im Vorfeld des drohenden Sequester haben US-Gefängnisse im ganzen Land Hunderte inhaftierte Immigranten entlassen. Gillian Christensen, Sprecherin der Zoll- und Einwanderungsbehörde, bestätigte der Nachrichtenagentur Associated Press, dass es einen entsprechenden Erlass gegeben habe, um die Budgets der Haftanstalten nicht zu überziehen. Allerdings habe man auch andere Maßnahmen ergriffen, wie etwa kosteneffizientere Kontrollen. Exakte Zahlen konnte Christensen nicht nennen. Trotz der Freilassung würden die Fälle weiter verfolgt und die Einwanderer gegebenenfalls abgeschoben.

Nationalparks: Viele der 398 Nationalparks wie etwa Yosemite oder Grand Canyon müssten teilweise oder gar ganz geschlossen werden. Die Administration nennt zur Begründung, man könne Saisonkräfte wie Feuerwehrleute, Rettungsteams, Sicherheitsoffiziere oder Mitarbeiter des Parksunterhalts unter den Kürzungsbedingungen gar nicht erst einstellen. Mit betroffen wäre dabei auch die lokale Wirtschaft rund um diese Parks.

Lebensmittelsicherheit: Das Weiße Haus geht von 2100 weniger Lebensmittelkontrolleuren aus, die eingesetzt werden können.

Obdachlose: Mehr als 100 000 Obdachlose, darunter Kriegsveteranen, müssten aus ihren derzeitigen Unterkünften oder auch aus Notunterkünften auf die Straße zurück

Opferhilfeprogramm: Die einzelstaatlichen Programme zur Betreuung von Gewaltopfern müssten gekürzt werden. Frauen als Opfer häuslicher Gewalt könnten in den einzelnen Staaten zu Hunderten nicht mehr die nötige Hilfe erhalten.

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