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Politik: US-Raketenabwehr: Clinton vermeidet die Entscheidung

US-Präsident Bill Clinton überlässt die Entscheidung über den umstrittenen Aufbau einer Nationalen Raketenabwehr (NMD) seinem Nachfolger - entweder George Bush oder Al Gore. Clinton gab am Freitag in Washington bekannt, dass die Vorarbeiten und Tests für das System noch keinen endgültigen Beschluss erlaubten.

US-Präsident Bill Clinton überlässt die Entscheidung über den umstrittenen Aufbau einer Nationalen Raketenabwehr (NMD) seinem Nachfolger - entweder George Bush oder Al Gore. Clinton gab am Freitag in Washington bekannt, dass die Vorarbeiten und Tests für das System noch keinen endgültigen Beschluss erlaubten. Außerdem verwies der Präsident auf die "ernsten Einwände" Russlands und der US-Verbündeten gegen das System, das nach ihrer Auffassung den Vertrag über die Begrenzung der Abwehrsysteme gegen Atomraketen (ABM) aus dem Jahr 1972 verletzt und die internationale Rüstungskontrolle aus dem Gleichgewicht bringt.

"Wir sollten nicht vorangehen, bevor wir davon überzeugt sind, dass das System funktionieren wird", sagte Clinton in einer Rede in der Washingtoner Georgetown-Universität. Zwei von drei Tests mit dem US-Prestigeobjekt scheiterten bisher. "Es ist viel besser, im Kontext des ABM-Vertrags und der Unterstützung durch die Verbündeten weiter zu machen." Die Bemühungen darum seien noch nicht erschöpft. Der Präsident betonte, er halte die Stationierung eines Abwehrsystems in Alaska gegen Atomraketen aus Problemstaaten wie Nordkorea, den Irak oder Iran für richtig. Die USA müssten sich auf mögliche Gefahren der Zukunft einstellen. Die Raketenabwehr könne aber nicht für sich allein gesehen werden. Es gehe darum, die "wirkungsvollste Verteidigung aufzubauen und das strategische Gleichgewicht mit Russland zu bewahren".

Clinton sagte, während die Technologie des Abwehrsystems viel versprechend sei, sei es den Beweis für seine Zuverlässigkeit bisher schuldig geblieben. Er verwies darauf, dass die beiden letzten Tests fehlschlugen. Mehrere neue Versuche würden Aufschluss darüber geben, ob das System unter realistischen Bedingungen arbeiten könne und ob es auch Gegenmaßnahmen gewachsen sei. Statt über den Beginn der Stationierung zu entscheiden, habe er Verteidigungsminister William Cohen daher angewiesen, "ein robustes Entwicklungs- und Testprogramm fortzusetzen".

Das System wäre nach den jetzigen Plänen in den Jahren 2006/2007 einsatzbereit. Sollte der nächste Präsident über einen Aufbau entscheiden, sei dies "im selben Zeitrahmen" möglich, versicherte Clinton, der im kommenden Januar nach zwei Amtszeiten ausscheidet. "In der Zwischenzeit werden wir weiter mit unseren Verbündeten und Russland sprechen, um ihr Verständnis für unsere Bemühungen gegen die neue Raketenbedrohung zu stärken ... Ich werde kreative Wege für eine Zusammenarbeit prüfen, die ihre Sicherheit gegen diese Bedrohung ebenfalls verbessert."

Der US-Plan knüpft an das "Star-Wars"-Programm des Präsidenten Ronald Reagan an. Die National Missile Defense (NMD) ist eine "Miniversion" von Reagans Idee eines weltraumgestützten Abwehrsystem. Rund 60 Milliarden Dollar (rund 130 Milliarden Mark) wollten die USA bislang in ihr nationales Raketenabwehrsystem investieren, das aus einem komplizierten Zusammenspiel von Satelliten, Radar und Raketen besteht. Den US-Plänen zufolge löst ein Komplex mehrerer Überwachungssatelliten im All Alarm aus, sobald eine feindliche Rakete abgeschossen wird. Automatisch wird in diesem Fall ein Radarnetz eingeschaltet, das die Verfolgung der Flugbahn des feindlichen Geschosses ermöglicht. Die Radar- und Satellitendaten laufen in einem Zentralcomputer im US-Bundesstaat Colorado zusammen. Dieser Computer wiederum aktiviert das neu entwickelte Radarsystem "X-Band-Radar". In Echtzeit übermittelt dieses Radarsystem die Flugbahn des feindlichen Geschosses an einen zweiten Computer, der schließlich eine von 20 in Alaska stationierten Abfang-Raketen zündet. Diese Trägerrakete ist mit einem Abfanggeschoss ausgestattet, dem so genannten Kill-Vehicle (EKV). Das EKV ist mit eigenem Antrieb, Leitsystem und Suchkopf ausgestattet. Während des Fluges löst es sich von der Trägerrakete und richtet sich computerunterstützt auf das entgegenkommende Geschoss aus. Auf die feindliche Rakete soll das "Kill-Vehicle" mit annähernd 24 000 Kilometern pro Stunde prallen und sie dabei zerstören.

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