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Kelley und Rand Paul

© Reuters

US-Republikaner Rand Paul: Deutsche Parteien bräuchten Politiker wie Rand Paul

Rand Paul bewirbt sich bei den Republikanern um die US-Präsidentschaftskandidatur. Er passt nicht in gängige Klischees, Freiheit hat für ihn einen hohen Stellenwert. Das spricht besonders junge Leute an. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Der Mann macht deutschen Medien das Leben schwer. Er entzieht sich dem gewohnten politischen Spektrum von progressiv bis konservativ. Als einer der Ersten hat Rand Paul seine Präsidentschaftskandidatur in den USA für 2016 erklärt. Er ist Mitglied der Republikaner. Soll man ihn also einen Rechten nennen? Anders als die meisten Parteifreunde wendet er sich jedoch gegen die Vielzahl amerikanischer Auslandseinsätze. Er möchte das Militär möglichst klein halten. Das klingt nach einem linken Antiimperialisten. Anders als die Sozialkonservativen führt er keinen Kreuzzug gegen Homosexuelle oder Sittenverfall, denn die sexuelle Orientierung gehe den Staat nichts an. Macht ihn das zu einem Liberalen?

Wo steht die Freiheit?

Rand Paul wird wohl kaum Barack Obamas Nachfolger im Weißen Haus werden. Aber er fordert uns Deutsche gedanklich heraus. In die hierzulande übliche Bandbreite zwischen rechts und links lässt er sich nicht einordnen. Er gehört einer politischen Spezies an, die es hier nicht gibt: den Libertären. Deren Markenzeichen ist maximale Freiheit von staatlichen Vorgaben. Unter jungen Amerikanern ist das höchst populär. Sein Vater Ron Paul, der 1988, 2008 und 2012 kandidierte, zog in den besten Zeiten bis zu einem Drittel der Erstwähler an.

Wo steht die Freiheit: links oder rechts? Natürlich weder rechts noch links. Und doch verorten Amerikaner und Deutsche sie im parteipolitischen Spektrum unterschiedlich. Im Zweifel steht sie für Amerikaner eher rechts, für Deutsche eher links. Sie leiten das von ihren jeweiligen Vorstellungen ab, wer oder was die Kräfte sind, die die Freiheit bedrohen.

Amerikaner – und unter ihnen ganz besonders die Libertären – halten den Staat für den gefährlichsten Feind der Freiheit. Je mehr Verantwortung der Staat an sich reißt, desto geringer die Handlungsfreiheit der Bürger. Ihr Ideal ist die Eigenverantwortung. Erziehung und Ausbildung der Kinder? Liegt in der Verantwortung der Eltern! Libertäre wollen kein Bundesbildungsministerium. Eltern haben in den USA das Recht, Kinder gar nicht in die Schule zu schicken und zu Hause zu unterrichten. Libertäre sind gegen die US-Bundesbank Federal Reserve; die sei übermächtig. Das Recht, Geld zu drucken, müsse bei den Einzelstaaten liegen. Für Amerikaner steht die Freiheit eher rechts, weil sie dem Staat misstrauen. Und weil die Demokraten als Anhänger des Sozialstaats weit stärker mit dem Verdacht des Staatsausbaus verbunden werden als die Republikaner mit ihrem Drang nach mehr Sicherheit.

Autoritärer Reflex zum Verbieten

Die meisten Deutschen sehen im Staat hingegen einen Beschützer. Er ist nicht böse, sondern gut. Freiheit fängt für sie mit Sicherheit an, ganz voran sozialer Sicherheit. Der immer weitere Ausbau des Sozialstaats wird nicht als Einschränkung der Freiheit, sondern als Zugewinn an Sicherheit interpretiert. Wenn Deutsche mit neuen Wahlmöglichkeiten konfrontiert werden – Familienpolitik zwischen Kita und Herdprämie, Internetriesen wie Google als Chance oder Bedrohung, Lebensmittel von Öko bis Genfood, neue Energiequellen von erneuerbaren bis Fracking –, folgt bald der Ruf nach Regelung durch den Staat. Von der Freude über neue Wahlfreiheiten, die den Konsumenten ja auch die Chance zu eigenverantwortlicher Mitgestaltung eröffnen, ist wenig zu hören.

Das Vertrauen der Parteien, dass die Bürger mit der Entscheidungsfreiheit umgehen können, ist offenbar gering. Besonders stark ist der autoritäre Reflex zum Vorschreiben und Verbieten bei der Linken. Die größten Skrupel, aber auch Widersprüche zeigen die Grünen – womöglich wegen ihrer Gründungsgeschichte. Sie hatten als Anti-Atomkraft-Bewegung begonnen und bekämpften damals den Staat, den sie als Energiemonopolisten betrachteten. Auch die Bürger und Bauern in ihren Protestmärschen brachten eine gesunde Skepsis gegen staatliche Regelungssucht mit. Heute möchte Bündnis 90/Die Grünen einerseits das Erbe der FDP antreten, verfällt andererseits aber immer wieder in den volkspädagogischen Reflex, die Bürger durch Verbote und Strafsteuern zu gängeln.

Eine solche Stimme fehlt in Deutschland

Welche deutsche Partei hätte die Binnentoleranz, einen Libertären wie Rand Paul in ihren Reihen zu dulden? Wo im deutschen Politikspektrum ließe sich sein prinzipielles Misstrauen gegen den Staat am ehesten einbinden? Einer wie er würde schon nicht Kanzlerkandidat werden, genauso wenig wie die Republikaner Rand Paul als Präsidentschaftsbewerber nominieren werden. Doch eine mahnende Stimme, dass Freiheit immer auch Freiheit von staatlicher Bevormundung ist, täte gut.

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