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Politik: US-Wahl: Alles geregelt, alles offen

Der Oberste Gerichtshof der USA hat sich angehört, warum Floridas Justiz sich laut George W. Bush zum Gesetzgeber aufschwang und laut Al Gore genau das tat, was sie hätte tun sollen.

Der Oberste Gerichtshof der USA hat sich angehört, warum Floridas Justiz sich laut George W. Bush zum Gesetzgeber aufschwang und laut Al Gore genau das tat, was sie hätte tun sollen. Und der Supreme Court entschied weder gegen Gore noch für Bush. Damit geht das Gerangel um den Ausgang der Präsidentschaftswahl vom 7. November unvermindert weiter.

Am 12. Dezember muss Florida seine 25 Elektoren küren, damit die im Kollegium der Wahlmänner am 18.12. den Nachfolger Bill Clintons wählen können. Dabei werden zwei Dinge immer wahrscheinlicher: Dass bis zum 12. Dezember die Wahlanfechtungen Gores gegen drei Landkreisergebnisse in Florida zwar entschieden, nicht aber umgesetzt werden können. Und: Dass Floridas Parlament, in dem die Republikaner beide Kammern dominieren, bereitsteht, das Heft notfalls selbst in die Hand zu nehmen.

Gore hat immer noch Chancen, zumindest in einem Kreis eine weitere Hand-Nachzählung durchzusetzen. Doch ob Berufungsverfahren und die eigentliche Auszählung vor dem 12. Dezember abgeschlossen werden können, ist mehr als fraglich. Floridas Gouverneur Jeb Bush, der jüngere Bruder des Präsidentschaftskandidaten, hat seine Bereitschaft bekundet, die Entsendung von Elektoren zu unterzeichnen, die vom Landesparlament ausgesucht und auf George W. Bush eingeschworen werden. Die nötige Sondersitzung ist anberaumt worden.

So, wie Floridas Parlament der letzte Schlichter im Lande sein kann, so steht es dem US-Kongress zu, über die Zulässigkeit von Elektoren-Delegationen zu befinden. Wenn eine Bush-Delegation auftritt, die auf der Basis des angefochtenen amtlichen Endergebnisses oder auf Geheiß des Landesparlaments abstimmt, und hernach die Gore-Wahlmänner kommen, die sich auf gewonnene Prozesse und nachgezählte Teilergebnisse berufen, entscheiden Senat und Repräsentantenhaus Anfang Januar.

Im Repräsentantenhaus haben die Republikaner eine hauchdünne Mehrheit. Im Senat ist die Lage kompliziert: Wenn eine Nachzählung bestätigt, dass im US-Staat Washington die Demokratin Cantwell den republikanischen Amtsinhaber Gorton knapp schlug, hat der neue Senat 50 Republikaner und 50 Demokraten. Gore führt als noch amtierender Vizepräsident den Vorsitz und hat die ausschlaggebende Stimme. Nach der Vereidigung des Clinton-Nachfolgers am 20. Januar fällt der Senat an die Republikaner. Denn entweder ist Dick Cheney Bushs Vize und das neue Zünglein an der Waage, oder aber Joe Lieberman wird Gores Vize, und sein freiwerdender Sitz wird vom republikanischen Gouverneur Connecticuts mit einem Parteifreund besetzt.

Ein gespaltener Kongress dürfte kaum in der Lage sein, mit der nötigen Einstimmigkeit die Gore- oder Bush-Wahlmänner zu akzeptieren. Als ob dies alles nicht schon ausreichend verwirrt, wird die Lage noch komplexer, weil nicht einmal die nötige Elektoren-Mehrheit feststeht. 538 gibt es; 270 gilt als die magische Hürde, die zu erreichen ist, will man ins Weiße Haus einziehen. Unklar ist nur, ob im Falle zweier konkurrierender Delegationen aus Florida und unterschiedlicher Kongress-Voten über die Legitimität der beiden die Florida-Elektoren herausgerechnet werden dürfen.

Dann gäbe es noch 513. Gore hat, ohne Florida, 267 - die Mehrheit. Der Demokrat würde Präsident. Gilt weiter die 270er-Grenze, haben beide Kandidaten (ohne Florida) sie verfehlt. Im Repräsentantenhaus würde dann der Staatschef nach dem Modus gewählt, dass jede Einzelstaats-Delegation eine Stimme hat. 28 der 50 US-Bundesstaaten haben republikanische Mehrheiten - Bush würde Präsident. Und im Senat könnte mit Al Gores Stimme Joe Lieberman zum Vizepräsidenten gekürt werden.

Falls, falls, falls. Falls der Supreme Court sich nicht massiv einmischt und einen anderen Weg weist. Falls einem der Anwärter nicht die Unterstützung in seiner eigenen Partei wegbricht. Falls die Öffentlichkeit nicht die Geduld verliert und von einem der beiden Kandidaten das Eingeständnis der Niederlage verlangt. Falls Gore nicht vor allen Gerichten verliert und es nie zur Entsendung der Alternativ-Elektoren kommt.

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