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US-Wahlkampf: Gottes eigenes Land

Alle schwören beim Republikanerparteitag auf "Country First" – selbst Ex-Demokrat Joe Lieberman.

Am Mittwochmorgen ist die Parteitagshalle der Republikaner noch leer. Nur vorne auf der Bühne steht eine Frau mit hochgesteckten Haaren in hellem Hosenanzug. Es ist Sarah Palin, Gouverneurin von Alaska, neuerdings bekannt als Vizepräsidentschaftskandidatin, religiöse Erzkonservative und Mutter einer 17-jährigen schwangeren Tochter. In zwölf Stunden soll sie hier ihre erste große Rede auf nationaler Bühne halten, in Europa ist es dann nach Mitternacht. Sie blickt konzentriert in die noch ausgeschalteten Kameras. Ein Berater erklärt ihr die Laufwege über die Bühne und prüft, wie sich ihre Kleidung vor dem Hintergrund macht, den rot-weißen Streifen einer riesigen Fahne, die sich im Wind wellt.

Im Morgenfernsehen wird parallel eine weitere ihrer behaupteten Tugenden zerpflückt. Spitzenkandidat John McCain hatte sie am Freitag als Kämpferin gegen die Verschwendung öffentlicher Gelder vorgestellt. Der Beweis: Palin verhinderte angeblich den Bau der „Brücke nach Nirgendwo“, die eine fast unbewohnte Insel in Alaska für einen dreistelligen Millionenbetrag anschließen sollte. Es war ein Geschenk der damals republikanischen Kongressmehrheit an den Wahlkreis eines ihrer Abgeordneten. Nun belegen Videos: Während ihres Gouverneurswahlkampfs nannte Palin die Brücke eine wichtige Ergänzung der Infrastruktur Alaskas. Erst später, als das Projekt im Kernland der USA längst in Verruf war, lehnte auch sie es ab. In einem anderen Video sagt Palin über die Entsendung von Einheiten der Nationalgarde Alaskas in den Irak, sie erfüllten dort Gottes Willen.

Konservative ficht das nicht an, sie nennen solche Enthüllungen entweder Machwerke der liberalen Medien – das gilt für die Brücke. Oder sie dienen ihnen, wie das Irak-Zitat, als Beleg, dass Palins Herz auf dem rechten Fleck schlage.

Am ersten Tag ihres Nominierungsparteitags hatten die Republikaner mit Rücksicht auf Hurrikan „Gustav“ politische Zurückhaltung geübt. Am Dienstag legten sie die ab. George W. Bush, der aus dem Weißen Haus zugeschaltet wurde, und First Lady Laura Bush lobten McCain als amerikanischen Helden, dem die Nordvietnamesen während der Kriegsgefangenschaft „zwar die Knochen, nicht aber den Geist gebrochen haben“. Der amtierende Präsident mag im Land unpopulär sein. In der Partei erhält er weiter rauschenden Beifall. Seine Unterstützung für McCain ist ähnlich wichtig wie eine Woche zuvor bei den Demokraten die der Clintons für Barack Obama. 2000 hatten Bush und McCain einen sehr harten Vorwahlkampf um die Nominierung geliefert. „John hat keine Scheu, es zu sagen, wenn er anderer Meinung ist“, rief Bush. „Glaubt mir! Ich habe es erfahren.“

Fred Thompson, ein früh ausgeschiedener Präsidentschaftsbewerber 2008 und populärer Schauspieler, lieferte die Attacken. „Ein Präsident Obama würde in der Tat Geschichte machen: Wir hatten noch nie einen so unerfahrenen Präsidenten!“ Mit Kurzfilmen über große republikanische Präsidenten wie Ronald Reagan und über Soldaten, die sich im Irak opferten, um Kameraden zu retten, wurde immer wieder das Motto des Parteitags beschworen, „Country First!“ In den Reden ging es um auffallend wenig politische Ziele. Zwei Botschaften dominierten: Republikaner sind Patrioten, Demokraten sind anders. Und, Obama fehlen Eignung und Erfahrung für das Weiße Haus. Bei McCain diente stets die Kriegsgefangenschaft als Hauptargument, warum er ein guter Präsident wäre.

Hauptredner war Joe Lieberman, 2000 noch Vizepräsidentschaftskandidat der Demokraten an der Seite Al Gores, heute parteiunabhängiger Senator aus Connecticut, nachdem die Parteibasis 2006 einen Irakkriegsgegner gegen ihn aufgestellt hatte. Er forderte zur Wahl McCains auf und lobte Sarah Palin, obwohl die gegen alle sozialen Werte steht, die Lieberman bisher vertrat. Obama sei „ein guter Redner, der vielleicht irgendwann viel Gutes für unser Land tun kann“, aber „Eloquenz ist kein Ersatz für Erfahrung“. Er bat die Republikaner um Verzeihung, dass er für einen Moment über die Fernsehsender, die die Rede landesweit übertrugen, „direkt zu meinen demokratischen Freunden und Parteiunabhängigen reden“ wolle. „Dies sind nicht normale Zeiten. Stimmt für unser Land und nicht für die Partei, der ihr vielleicht angehört!“

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