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Hillary Clintons Rede zur Außenpolitik in San Diego: eine Abrechnung mit dem "Amateur" Donald Trump.

© AFP

US-Wahlkampf: Hillary Clinton testet neue Strategie gegen Donald Trump

In San Diego probt die Kandidatin eine neue Angriffslinie: Die Mischung aus Trumps Charakter und Ahnungslosigkeit sei eine Gefahr für Amerika. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Seit Wochen sucht Hillary Clintons Wahlkampfteam nach einer Strategie, wie sie auf Donald Trumps Angriffe unter der Gürtellinie reagieren soll, ohne sich selbst auf dieses Niveau der Auseinandersetzung zu begeben. Und wie sie zugleich ihre Überlegenheit an Sachkompetenz ausspielen kann. Denn eines ist klar: Sie kann ihn nicht mit seinen Waffen, dem Macho-Auftreten, schlagen, und er ist ihr im Argumentationsaustausch über sachpolitische Fragen sowie dem Detailwissen nicht ebenbürtig.

"Unvorbereitet", "ungeeignet", "dünnhäutig"

Ihr Auftritt in der Nacht zu Freitag in San Diego war als außenpolitische Grundsatzrede angekündigt. In Wahrheit war es ein Test, ob diese neue Strategie im Wahlkampf funktioniert: Harte Charakterangriffe gegen Trump, die seine spezielle Mischung aus aufbrausendem Temperament und Ahnungslosigkeit bei den Kernthemen als unkalkulierbare Gefahr für die USA beschwören. Er sei "hopelessly unprepared and temperamentally unfit to be commander in chief" - also inhaltlich "hoffnungslos unvorbereitet" und charakterlich "ungeeignet" als Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Auf Kritik reagiere er so "dünnhäutig", dass er um sich schlage. Es wäre "ein historischer Fehler, ihn zum Präsident zu wählen". Und, schlimmer noch, angesichts der Machtmöglichkeiten dieses Amtes riskiere Amerika, dass Trump das Land in einen Krieg oder in eine Wirtschaftskrise stürze.

Atomwaffen in Trumps Händen?

Einer solchen Person dürfe man keinesfalls die Codes für die Atomwaffen anvertrauen. "Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, dass Donald Trump uns in einen Krieg führt, nur weil jemand unter seine sehr dünne Haut gepiekst hat", sagte Clinton am Donnerstag Abend US-Zeit in San Diego, Kalifornien. Der bevölkerungsreichste US-Staat an der Pazifikküste gehört zu den sechs letzten Bundesstaaten, die am Dienstag, 7. Juni, ihre Vorwahl abhalten.

Clinton hielt die Rede überwiegend in einem ruhigen und sachlichen Ton - ohne die laut erhobene Stimme, die für Wahlkampfauftritte typisch ist. Die "New York Times" analysierte, sie habe Trump als "rücksichtslosen, kindischen und uninformierten Amateur" beschrieben, der sich im Spiel des global agierenden Staatsmannes übe.

Gegenstrategie der Republikaner

Die Rede selbst, aber auch die raschen Reaktionen der Republikaner gaben einen Vorgeschmack auf den weiteren Stil der Auseinandersetzung im Wahlkampf. Pünktlich zum Redebeginn gab Paul Ryan, der Speaker im Repräsentantenhaus und ranghöchste Republikaner, bekannt, dass er nun doch Trump bei der Wahl unterstützen werde. Wochenlang hatte er gezögert. Der Zeitpunkt der Ankündigung wurde als Versuch verstanden, Aufmerksamkeit von Clintons Auftritt abzuziehen und vielleicht sogar zu erreichen, dass einzelne Fernsehgesellschaften Ryan statt Clinton ins laufende Programm schalten. Dies war die erste Clinton-Rede seit längerem, die von den Nachrichtensendern übertragen wurde.

Donald Trump reagierte während der Rede mit Twitter-Kommentaren. "Bad performance by Crooked Hillary Clinton!" (Schlechter Auftritt der betrügerischen Hillary). Sie könne ja nicht mal richtig vom Teleprompter ablesen. Und: Sie sieht "gar nicht präsidial" aus.

Dies sind immer wieder kehrende Begriffe, die er mit ihrem Namen zu verbinden versucht, damit sie bei Wählern als automatische Assoziation hängen bleiben: "crooked" ist auch eine Anspielung auf das Impeachment gegen Richard Nixon ist, der damals antwortete "I am not a crook." Trump möchte auch Hillary Clinton angeklagt sehen wegen ihrer Email-Affäre. "Teleprompter" gehört zu den Schlüsselworten seiner Angriffe auf Obama und Clinton. Die seien nicht echt, die seien "gescripted", könnten sich ohne abzulesen gar nicht authentisch ausdrücken.

Bitter-sarkastische Satire

Umgekehrt wirkten Passagen der Clinton-Rede von Inszenierung und Inhalt her wie eine bitter-sarkastische Satire auf Trumps Wahlkampfführung. Hinter ihr waren 19 US-Flaggen im XXL-Format aufgepflanzt, wie Trump sie gerne verwendet. Und es schien, als sei ihr Ziel eher, mit kurzen Zitaten in den Fernsehnachrichten zu landen, als aufklärerisch die oft komplizierten Zusammenhänge einer außenpolitischen Herausforderung zu beschreiben. Einige Beispiele:

"Stellen Sie sich vor, er hätte nicht nur Twitter zur Verfügung, wenn er sich über jemanden ärgert, sondern Amerikas gesamtes Militär-Arsenal."

"Seine außenpolitische Erfahrung erschöpft sich darin, dass er einen Miss-Universum-Schönheitswettbewerb in Russland abgehalten hat."

"Ich überlasse es den Psychiatern, seine Bewunderung für Tyrannen zu erklären", kommentierte sie seine anerkennenden Worte für Wladimir Putin und Nordkoreas Diktator Kim Jong-un.

"Er hat auch gesagt: Ich weiß mehr über den IS als die Generäle, glaubt mir! - Wisst Ihr was? Ich glaube ihm nicht!"

"Mr. Trump hat keine Ahnung, worüber er redet. Donald versteht die Komplexität nicht."

"Dies ist nicht Reality TV. Dies ist die Wirklichkeit."

Politik im Casino-Stil

Zu seiner Überlegung, Amerika könne seine Schulden eventuell nicht voll zurückzahlen, sondern in einem Deal mit den Gläubigern einen Schuldenschnitt erreichen und damit billiger wegkommen, sagte sie: "Er glaubt, er kann mit der US-Wirtschaft wie mit einem seiner Casinos umgehen." Solch ein Vorgehen würde "zu einer ökonomischen Katastrophe führen".

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