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Guantanamo

© dpa

USA: Schließung Guantanamos fraglich

US-Präsident Obama will das Gefangenenlager Guantanamo schließen, doch die eigene Partei verweigert ihm die Gefolgschaft. Fraglich ist für die Demokraten die Zukunft der Gefangenen. Senatsführer Reid: "Kein Terrorverdächtiger darf in die USA gebracht werden"

Präsident Barack Obama verliert an Rückhalt für seinen Plan, das berüchtigte Gefangenenlager Guantanamo innerhalb eines Jahres nach Amtsantritt zu schließen. Seine eigenen Parteifreunde im Kongress verweigern ihm die Gefolgschaft. Damit steht die versprochene Schließung des Lagers zum 22. Januar 2010 generell in Frage.

In der vergangenen Woche hatten die Demokraten im Abgeordnetenhaus die Bewilligung der 80 Millionen Dollar abgelehnt, die Obamas Regierung für die Schließung des Gefängnisses auf dem US-Militärstützpunkt auf Kuba beantragt hatte. Die offizielle Begründung lautete: Zuvor müsse Obama einen überzeugenden Plan für die Auflösung des Lagers und die Zukunft der rund 240 Insassen vorlegen. Der Präsident hat für den Himmelfahrtstag eine Rede angekündigt, in der er seine Vorschläge erklären möchte.

Nach Angaben der „New York Times“ sind derzeit 30 der 240 Insassen zur Freilassung vorgesehen, weil es kein Belastungsmaterial gegen sie gibt. 80 soll der Prozess wegen Beteiligung an Terrorakten gemacht werden. Die Zukunft der übrigen 130 ist noch unklar.

Die Wortwahl im Kongress zeigt, dass es den demokratischen Abgeordneten nicht nur um einen taktischen Zeitaufschub geht, sondern grundsätzlichen Widerstand gegen die Schließung des Gefängnisses für Terrorverdächtige. Das Abgeordnetenhaus machte dem Präsidenten Auflagen, die darauf hinauslaufen, dass er keinen Insassen Guantanamos in die USA bringen darf, bevor der Kongress seine Pläne zur Schließung begutachtet und gut geheißen hat.

Am Dienstag schwenkte auch der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, auf diese Linie ein. „Wir werden niemals erlauben, dass Terroristen (von Guantanamo) in die USA gebracht werden.“ Das ist ein alarmierendes Zeichen. Reid gehört generell zu Obamas verlässlichen Unterstützern im Kongress.

Solche kategorischen Äußerungen moderater Demokraten machen deutlich, dass Obama keine Mehrheit im Parlament für seine Pläne hat. Die Auflagen machen ihm gleich in mehrfacher Hinsicht einen Strich durch die Rechnung, solange der Kongress nicht seine Haltung ändert – oder Gerichte die Verlegung von Guantanamo-Insassen in die USA anordnen. Bis dahin kann Obama Gefangene, die zu Unrecht in Guantanamo sitzen, aber auch nicht in ihre Heimatländer zurückkehren können, weil sie dort verfolgt würden, nicht in die USA entlassen. Er kann den Verdächtigen, gegen die Belastungsmaterial vorliegt, keinen Prozess vor ordentlichen Gerichten in den USA machen lassen, da der Kongress deren Transfer auf das Festland ablehnt. Und er kann verurteilte Gefangene nicht zur Verbüßung ihrer Haftstrafe in Gefängnisse in den USA verlegen.

Die Republikaner scheinen endlich eine Thema gefunden zu haben, bei dem sie den ansonsten unangefochtenen Präsidenten in die Enge treiben können. Sie lehnen die Schließung des Lagers rundheraus ab. Ihr Fraktionsführer im Senat, Mitch McConnell, ist der Wortführer. Nach seinen Worten sind alle Guantanamo-Gefangenen als „gefährliche Terroristen“ zu betrachten. „Guantanamo ist der ideale Platz für diese Terroristen.“ Aus dem Gefängnis dort könne niemand ausbrechen oder befreit werden. Und von der Insel gebe es kein Entkommen. „Wenn der Präsident dabei bleibt, dass er das Gefängnis nächsten Januar schließen will, dann braucht er einen Ort, wohin er die Insassen bringen kann. Und der darf nicht in den USA liegen.“

Unter McConnells Druck und mit Blick auf Meinungsumfragen nehmen auch immer mehr Abgeordnete und Senatoren der Demokraten die Haltung ein, Guantanamo-Insassen sollten nicht in ihren Wahlkreis gebracht werden – weder in ein Gefängnis dort, noch in ein Gericht, um ihnen dort den Prozess zu machen, noch zur Freilassung, weil sie als unschuldig gelten. Er könne sich leicht die Bildung von „535 Protestkomitees“ gegen die Aufnahme von Guantanamo-Gefangenen  vorstellen, scherzte Obamas Sprecher Robert Gibbs kürzlich in einer Pressekonferenz im Weißen Haus. Er meinte damit die Zahl der Wahlkreise der 435 Abgeordneten und 100 Senatoren.

Anders als in Europa betrachten die meisten Amerikaner die Einrichtung des Lagers nicht als Fehler und Verstoß gegen internationale Rechtsprinzipien, der endlich korrigiert werden muss. Sondern sie wünschen, dass sie auch weiterhin an ihren Wohnorten nicht mit dem Problem und den möglichen Risiken belästigt werden. Da wirkt sich die jahrelange Propaganda der Bush-Regierung aus, die unablässig wiederholte, alle Guantanamo-Gefangenen seien gefährliche Topterroristen. Die Möglichkeit, dass Menschen zu Unrecht dort sitzen, wurde von der Bush-Regierung nicht öffentlich diskutiert.

Menschenrechtsgruppen befürchten bereits, ein Teil der Terrorverdächtigen könne am Ende noch rechtloser dastehen als in Guantanamo. Wenn Obama am Plan festhalte, das Lager in Kuba zu schließen, aber die Insassen nicht in die USA bringen könne, dann wäre eine Alternative, sie in andere Gefängnisse außerhalb der USA zu verlegen, zum Beispiel Bagram in Afghanistan. Was die Gefangenen dort betrifft, vertritt Obamas Regierung eine ähnliche Rechtsauffassung, wie zuvor Bush gegenüber Guantanamo-Häftlingen: Bagram liege außerhalb der USA. Die Insassen dort hätten deshalb nicht das Recht, US-Gerichte anzurufen, um den Grund ihrer Haft und die Haftbedingungen überprüfen zu lassen.

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