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Politik: Väterchen Frust

Weißrusslands Autokrat Lukaschenko kämpft um seine Wiederwahl – mit allen Mitteln

Mit Überraschungen ist bei der Präsidentenwahl in Weißrussland kaum zu rechnen: Seine Handlanger werden Alexander Lukaschenko das bestellte Wunschergebnis bescheren. Doch die Opposition zeigte sich im Wahlkampf geeint wie selten zuvor: Erstmals seit langem weht wieder ein Hauch von Veränderung durch das Land.

Auf den ersten Blick ist in Minsk von Wahlfieber kaum etwas zu spüren. Weder die Konterfeis der Kandidaten noch deren Losungen zieren vor der Präsidentenkür am kommenden Sonntag die blitzsauberen Straßen der Hauptstadt. Er sei „gegen Personenkult“, verkündet ausgerechnet der allgegenwärtige Landesvater, der sein Reich bereits seit zwölf Jahren mit harter Hand dominiert: Mit seiner Wiederwahl hofft der frühere Kolchosechef Alexander Lukaschenko, sich den Weg zu einer Präsidentschaft auf Lebenszeit zu bahnen. Obwohl der 51-jährige Autokrat vor allem auf dem Land große Popularität genießt, überlässt das „Väterchen“ vor der erwünschten Amtsbestätigung nichts dem Zufall: Im Wahlkampf lässt er die gegängelte Opposition noch härter drangsalieren.

Drei Gegenkandidaten hat die Zentrale Wahlkommission für den Stimmenstreit zugelassen. Die wichtigsten Oppositionsparteien haben den parteilosen Physiker Alexander Milinkiewitsch als ihren gemeinsamen Kandidaten nominiert. Für die sozialdemokratische Gramada-Partei geht der frühere Uni-Rektor Alexander Kosalin ins Rennen. Als Alibi-Kandidat des Staatsapparats gilt Sergej Gajdukewitsch von der liberaldemokratischen Partei. Wie bei dem verfälschten Verfassungsreferendum von 2004, mit dem sich Lukaschenko den Weg für die erneute Kandidatur frei machte, ist bei dem Urnengang erneut mit massiven Manipulationen zu rechnen: Nur zwei der 74 000 Wahlhelfer stellt die Opposition.

Obwohl die staatlichen Umfrageinstitute dem Staatschef einen Wahltriumph in Höhe des von ihm bestellten Wunschergebnisses von 76 bis 80 Prozent der Stimmen prophezeien, wirkt der Amtsinhaber zunehmend nervös. Als „Schufte und Faschisten“ schmäht der Sowjet-Nostalgiker seine Konkurrenten: „Meine Gegner sind unfähig, ein blühendes Weißrussland aufzubauen.“ Die verbalen Attacken gegen die Opposition flankiert Lukaschenko mit handfesten Störmanövern gegen deren Wahlkampf. Die meisten Versammlungssäle und Hallen blieben den Gegenkandidaten im Wahlkampf unter fadenscheinigen Gründen verschlossen. Mit willkürlichen Haftstrafen gegen Wahlhelfer hat die Justiz in den letzten Tagen vor allem den Stab von Milinkiewitsch radikal ausgedünnt.

Die Verhaftungswelle trifft nicht nur Aktivsten von Minderheitsverbänden und der Jugendbewegung Zubr, sondern auch missliebige Journalisten. Fast alle der wenigen noch verbliebenen unabhängigen Zeitungen mussten in diesen Tagen wegen Druck- und Vertriebsbehinderung ihr Erscheinen einstellen. Vor allem polnischen und ukrainischen Journalisten wurde trotz gültigen Visums vor den Wahlen die Einreise verweigert: Lukaschenko wirft den Nachbarländern das versuchte Anzetteln eines Staatsstreichs vor.

Trotz des staatlichen Störfeuers und einer nahezu vollständigen Medien-Blockade ist es der lange völlig marginalisierten Opposition gelungen, im Wahlkampf ihre Isolation aufzubrechen. Vor allem in den Städten verzeichnet Milinkiewitsch bei seinen Veranstaltungen einen wachsenden Zulauf: „Wenn die Wahlen ehrlich wären, käme es zumindest zu einer Stichwahl.“ Mit Überraschungen bei dem frisierten Urnengang rechnen Beobachter indes ebenso wenig wie mit einem Massenaufstand wie während der orangene revolution 2004 in der Ukraine.

Keinesfalls auszuschließen ist allerdings, dass der Sicherheitsapparat Protestdemonstrationen gegen Wahlfälschungen notfalls auch blutig niederschlagen lässt. „Wir haben bereits gesiegt – in den Köpfen der Menschen, die denken können“, zeigt sich Oppositionschef Milinkiewitsch von den Drohgebärden des KGB dennoch unbeeindruckt: „Weißrussland wird nach den Wahlen ein anderes Land sein – egal, was am 19. März passiert.“

Thomas Roser[Warschau]

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