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Politik: „Vaterlandsverräter“

Die Regierung will den Tag der Einheit streichen, um das Wachstum anzukurbeln – die Kritik ist heftig

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Günter Nooke holte gleich die ganz große Keule raus. Der Kanzler und sein Finanzminister seien „Vaterlandsverräter“. So kommentierte der frühere DDR-Bürgerrechtler und CDU-Bundestagsabgeordnete die Sparpläne von Gerhard Schröder und Hans Eichel. Die beiden SPD-Politiker sind am Mittwoch bei der Opposition, aber auch in den eigenen Reihen auf teils heftigen Protest gestoßen. Insbesondere die geplante Abschaffung des Tages der Deutschen Einheit am 3. Oktober als Feiertag traf auf Widerstand. „Kein Land der Welt würde einen solchen nationalen Feiertag aufgeben“, sagte Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU). Die Feierlichkeiten in Erfurt vor wenigen Tagen hätten gezeigt, dass die übergroße Mehrheit der Deutschen diesen Tag auch als Tag der Deutschen Einheit nutze. Auch die bayerische Staatsregierung protestierte gegen die Pläne der Bundesregierung. Der ostdeutsche SPDAbgeordnete und kurzzeitige DDR-Außenminister Markus Meckel bezeichnete das Vorhaben als einen „grundfalschen Vorschlag“. In Deutschland müssten „anständige Strukturreformen“ angepackt werden, statt Feiertage zu opfern, sagte Meckel den „Stuttgarter Nachrichten“. Der 3. Oktober sei ein „höchstwichtiges Datum“ in der deutschen Geschichte, begründete Meckel seine Ablehnung. Wer diesen Tag abschaffen wolle, der zeige eine „Geschichtsvergessenheit, die in höchstem Maße unseriös ist“. FDP-Chef Guido Westerwelle kritisierte in der „Süddeutschen Zeitung“: „Wer die Deutsche Einheit nicht mehr feiert, vergisst zugleich die deutsche Teilung.“ Der Grünen-Politiker Fritz Kuhn sagte dagegen dem selben Blatt: „Ein Feiertag weniger ist ein wichtiger Wachstumsimpuls.“

Wie es in Koalitionskreisen am Mittwoch hieß, will Eichel den 3. Oktober als gesetzlichen Feiertag streichen und die Feierlichkeiten auf den jeweils ersten Sonntag im Oktober verschieben. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums würde eine solche Aktion zu einem um 0,1 Prozent höheren Wirtschaftswachstum 2005 führen. Ökonomen gehen allerdings davon aus, dass diese Maßnahme wegen ihrer geringen fiskalischen Wirkung kaum Einfluss auf die Konsolidierung des Haushaltes des Bundes haben wird. Daher, so hieß es in der Koalition, wolle Eichel das Haushaltsloch des Bundes im kommenden Jahr überwiegend durch den Verkauf von Pensionsforderungen an die ehemaligen Staatsunternehmen Post und Telekom decken und daraus Erlöse von rund fünf Milliarden Euro erzielen. Zudem soll die globale Minderausgabe von rund einer Milliarde Euro um eine weitere Milliarde aufgestockt werden. Eichel will am Donnerstag nach Bekanntgabe der neuen Steuerschätzung ein Maßnahmenpaket mit Sparvorschlägen und Wachstumsimpulsen bekannt geben. Eichels Sprecher Jörg Müller wollte zu dem Sparpaket daher keine Stellung nehmen.

Nach Schätzungen von Banken könnte die Regierung durch den Pensionsdeal über mehrere Jahre hinweg eine zweistellige Milliardensumme einnehmen, indem sie die Forderungen verbrieft und dann privatisiert. Die Versorgungslasten für ehemalige Postbeamte belaufen sich in den Jahren 2004 bis zum geschätzten Zahlungsende 2090 auf nominal 573,4 Milliarden Euro. Auf Deutsche Telekom und Deutsche Post käme ein Beitrag von 18,4 Milliarden Euro zu. Diesen Betrag will der Finanzminister nun verbriefen und am Kapitalmarkt privatisieren.

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